Es ist ein heißer Tag, auf dem Europaplatz, unserem Treffpunkt mit Frau Straub, findet ein indonesisches Fest statt. 12 Frauen sind gekommen.
Unser erster Besichtigungspunkt ist der Stephanienbrunnen, mitten auf dem Europaplatz. Entworfen 1903 von dem Künstler Hermann Billing, erregte die nackte zentrale Brunnenfigur große moralische Empörung. Errichtet wurde die Figur dann trotzdem, umgeben von einer Rotunde, deren Säulen jeweils das Porträt von Zeitgenossen tragen, u.a. auch das des größten Brunnengegners.
Als Nächstes suchen wir den Ort der ehemaligen Viktoriaschule, einer Höheren Töchterschule, 1880 von Großherzogin Luise gegründet, auf. Heute befindet sich dort ein Parkhaus. Unterrichtet wurden Religion, Kunstgeschichte, Französisch, Englisch, Handarbeiten, Rechnen, Natur- und Gesundheitslehre, allerdings kein Latein, was zum Studium berechtigt hätte.
Weiter geht’s zum Haus Waldstraße 83: Wir passieren den Durchgang und landen auf der Rückseite des Fichte-Gymnasiums, im ehemaligen Schulhof des ersten deutschen Mädchen-Gymnasiums.
1893 wagte der Verein Frauenbildungsreform aus Hannover das Experiment, für Mädchen eine gymnasiale Bildung zu planen, um ihnen durch das Abitur den Zugang zum Studium zu ermöglichen. Es galt die vorherrschende Meinung zu widerlegen, dass Frauen in ihrer Entwicklung zwischen Kind und Mann stehen geblieben wären. „Das Weib empfindet, der Mann handelt“ war die gängige Meinung vieler Männer.
Hedwig Johanna Kettler und Anita Augspurg, Mitinitiatorinnen des Vereins, gründeten 1893 hier in Karlsruhe das erste Mädchengymnasium. Warum nicht in Hannover? Nur Karlsruhe war von allen angefragten Städten bereit, dieses Experiment einzugehen. Gymnasium hieß damals altsprachliche Ausbildung. Die Mädchen kamen mit der Untertertia ins Gymnasium und mussten innerhalb eines Jahres Latein nachholen, um in der Obertertia dann den gleichen Wissensstand wie die Jungen zu haben. Eine unglaubliche Herausforderung!
Im Kollegium gab es auch eine Lehrerin, Frau Dr. Marie Gernet, für Mathematik und Physik. Marie Gernet hatte nach dem Abschluss der Höheren Töchterschule und privaten Mathematikstudien eine Sondergenehmigung zum Studium der Mathematik, Chemie und Physik an der TH Karlsruhe erhalten und schloss 1894 ihr Studium mit der Promotion ab. Nur mit einer Sondergenehmigung durfte sie unterrichten, da es für sie keine Möglichkeit zum Staatsexamen gab.
Von den ersten 28 Gymnasiastinnen legten vier 1899 das Abitur ab. Zwei studierten Medizin und eine Pharmazie, was ab 1900 an badischen Universitäten möglich war. Das zweite Mädchengymnasium, das heutige Lessing-Gymnasium, wurde 1911 gegründet.
Bereits 1878 wurde das erste Lehrerinnenseminar in der Sophienstraße 39+41 geschaffen mit angeschlossenem Wohnheim, dem „Prinzessin-Wilhelm-Stift“. Da es für Frauen noch keine Zulassung zum Staatsexamen gab, konnten sie zunächst nur an privaten Schulen unterrichten. An staatlichen Schulen wurden sie nur als Handarbeits- und Sprachlehrerinnen eingesetzt.
Bis 1919 mussten Lehrerinnen bei Heirat ihren Beruf aufgeben, was wir unter dem Begriff „Lehrerinnenzölibat“ kennen. Zu Beginn der Weimarer Republik zwar aufgehoben, wurde diese Regelung bereits 1923 aus arbeitsmarktpolitischen Gründen wieder eingeführt und erst 1951 endgültig außer Kraft gesetzt.
Unser letztes Ziel sind die ursprünglichen Gebäude des Badischen Frauenvereins an der Ecke Otto-Sachs-Str. 1/ Gartenstraße. Der Vereins wurde 1859 in Karlsruhe gegründet. Schirmherrin war wieder die Großherzogin Luise. Hier gab es die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu absolvieren. Die Ausbildung zur Krankenschwester und in weiteren sozialen Berufen hatte große emanzipatorische Effekte. Zusätzlich wurden auch Handarbeit und Haushaltsmanagement unterrichtet. Es gab ein Frauenwohnheim für alleinstehende Frauen, angeschlossen ein Waschhaus, sogar eine kleine Turnhalle. Selbst ein eigenes Krankenhaus für Gynäkologie und Augenheilkunde wurde gegründet, das bis in die 1930er Jahre arbeitete. Der Verein gab auch ein Kochbuch mit umfangreichem Haushaltungsteil. heraus. 1937 wurde der Badische Frauenverein mit dem Reichsgesetz über das Deutsche Rote Kreuz offiziell aufgelöst. Heute sind die ehemaligen Räume des Vereins in private Wohnungen umgewandelt.
Es war ein wunderbarer Ausflug. Frau Straub hatte eine überwältigende Fülle an Informationen für uns bereit und ließ die Vergangenheit mit Erinnerungsstücken aus ihrer Familiengeschichte und vielen zeitgenössischen Bildern lebendig werden.
Text: Barbara Scholz
Foto: Ulrike Dörr