FBM23: Podiumsdiskussion zur Sichtbarkeit von Übersetzer*innen

Ein Beitrag von Verena Schmidt, freie Autorin, Speakerin und Messekoordinatorin der BücherFrauen e.V.

Zum Jahresthema des Branchennetzwerks BücherFrauen e. V. diskutierten unter dem Titel „Übersetzer*innen ins Licht rücken: Best Practice-Modelle zur Sichtbarmachung von Übersetzenden“ die Übersetzerin und Instagrammerin Lisa Kögeböhn, als Vertreterin der Weltlesebühne die Übersetzerin Katharina Schmidt, die Präsidentin vom Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen Karin Nölle sowie die Programmleiterin vom mare Verlag Judith Weber. In der von Dr. Dania Schüürmann moderierten Kooperations-Veranstaltung der Weltlesebühne mit BücherFrauen e. V. und VdÜ e. V. wurden verschiedene praktische Möglichkeiten zur Sichtbarmachung von Übersetzenden sowie die damit verbundenen Chancen erörtert.

Auf dem Weg in die Sichtbarkeit

Zunächst berichten die Teilnehmerinnen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Sichtbarkeit bereits eine Menge getan hat. Kämpfte die Branche in den 80er Jahren noch um die Namensnennung im Impressum, sind heute die Aufnahme von Übersetzernamen auf die U4 und Übersetzerviten in den Klappentext bereits häufiger und es geht um die Nennung auf dem Cover, auf Homepages, in Verlagswerbung, Social Media und in Rezensionen. Diese Forderungen gehen einher mit einer erhöhten Professionalisierung der Zunft und einem selbstbewussteren und selbstverständlichen Auftreten der Übersetzenden.

Sichtbarkeit als Win-Win-Situation für alle Beteiligten

Die Übersetzerin Lisa Kögeböhn, deren Social-Media-Aktivitäten über den Berufsalltag von Übersetzer*innen ihre eigene Sichtbarkeit enorm gesteigert haben, betont die politische und wirtschaftliche Bedeutung von Präsenz und Sichtbarkeit auf allen Ebenen. Kögeböhn postet in ihrem Instagram-Account @koegeboehnsche durchaus kritisch zu berufspolitischen Themen und Missständen. Ihr Engagement für die Branche sorgte unerwartet auch für persönlichen Erfolg, denn „Sichtbarkeit potenziert sich. Es ist eine Empfehlungsbrache. Macht Euch sichtbar, weil niemand sonst es tut.“ Seitdem sie sich persönlich sichtbar gemacht hat, ist Kögeböhn gefragter und ihre Tätigkeit wird besser honoriert. Das wiederum nützt auch den Verlagen, die von der Reichweite ihrer Übersetzer*innen auf einer weiteren Werbeplattform nur profitieren können.

Sehen und gesehen werden

Die Nennung der Übersetzer*innen auf dem Buchcover ist für die Verlagsleiterin Judith Weber eine Selbstverständlichkeit. Der mare Verlag pflegt die Übersetzernennung seit 20 Jahren. Bedenken anderer Verlage, die aus ästhetischen oder marketingtechnischen Gründen die Übersetzenden nicht auf dem Cover nennen wollen, kann Weber nicht nachvollziehen. Im Gegenteil würden die Buchcover von mare häufig für ihren ästhetischen Wert gerühmt. Seit Verlagsgründung druckt mare die Namen der Übersetzer*innen auf dem Cover ab und erhält dazu nur positive und wertschätzende Rückmeldungen von Lesenden und Buchhandlungen. Damit Übersetzende auch auf Homepages und Social Media der Verlage präsent sind, sollten Übersetzende ruhig selbst aktiv werden, so Weber. Wenn die Verlage keine gut aufgelösten Fotos bekommen, das Copyright nicht geklärt ist und die Vita nicht aktiv geschickt wird, dann gibt es keine Sichtbarkeit. Judith Weber spricht in diesem Zusammenhang auch von der Macht der Gewohnheit und noch fehlenden standardisierten Prozessen, die eine Menge zusätzliche Arbeit verursachen. Sie thematisiert auch eine Sichtbarkeit nach Innen, hinein in die Verlagslektorate als potentielle Auftraggebende, die Übersetzende proaktiv suchen können. Gerade für Übersetzungen aus kleineren Sprachen seien die Verlage auf Empfehlungen zu spannenden Titeln angewiesen. Wer passende Vorschläge an die Lektorate herantrage, mache sich branchenintern im positiven Sinne sichtbar.

Engagement führt zum Erfolg

Auch Preise und Ehrungen sind wichtige Instrumente zur Sichtbarmachung, betreffen aber meist nur einen kleinen Anteil der Übersetzenden. Die Übersetzerin Karen Nölle erzählt auf der Bühne von der Arbeit des Freundeskreises zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen, der mehrere Übersetzungspreise vergibt. Nölle ermuntert Übersetzende dazu, sich eigeninitiativ für Preise zu bewerben und versichert: „Man wird nicht entdeckt. Wer sich nicht selbst sichtbar macht, bekommt keinen Preis.“ Sie berichtet auch von einem Gendergap im Preiswesen: Die Preisverteilung zwischen den Geschlechtern sei zwar mittlerweile 50/50, aber über 80% der Übersetzenden sind weiblich. Der seit 2021 jährlich verliehene Preis „Rebekka“ richtet sich an langjährige Übersetzer*innen, deren Arbeit wenig wahrgenommen wird, weil die von ihnen übersetzten Bücher nicht im Feuilleton besprochen werden. So wird mit der Rebekka kontinuierliche Übersetzungsleistung beispielsweise in der Unterhaltung, im Krimi, in der Science-Fiction oder im Kinder- und Jugendbuch geehrt. Auch im Sachbuchbereich fehlt es noch an Preisen für Übersetzende. Für den Freundeskreis wünscht Nölle sich deshalb Gelder, um endlich einen Sachbuchpreis ins Leben rufen zu können.

Aktualität & Flexibilität als Schlüssel

Die Weltlesebühne ist ein Verein mit ca. 70 Mitgliedern, der ins Leben gerufen wurde, um der Übersetzungskunst durch Veranstaltungen mit Übersetzer*innen und über das Übersetzen eine Bühne zu bieten. Katharina Schmidt bestätigt, dass neue, digitale Formate, die die Weltlesebühne während der Corona-Pandemie austestete, ein anderes und jüngeres Publikum erreichen. Und sie macht Mut, sich an Videos heranzuwagen: Die Weltlesebühne verleiht dafür Equipment und jede Menge Tutorials zur Verfügung. Die Möglichkeiten sind vorhanden, man muss sie nur nutzen. Es zeigt Wirkung. Die Zusammenarbeit mit einem Booktuber erzielte eine enorme Reichweitenvergrößerung für die Weltlesebühne. Seid kreativ und nutzt die Bühnen, die es schon gibt, ermuntert Katharina Schmidt die Kolleg*innen im Publikum.

Vom Kennen zum Verstehen und Unterstützen

In der Leserschaft liegt ein wahrer Potentialschatz verborgen, so die Instagrammerin Lisa Kögeböhn. Durch ihre Beiträge über die Höhen und Tiefen ihres Berufsalltags erfahren viele Leser*innen oft erst, was Übersetzen wirklich bedeutet. Durch die gewonnene Kenntnis und das Verständnis werden sie von Konsumenten zu Beteiligten, die sich sogar aktiv engagieren und für die Sichtbarkeit der Übersetzer*innen einsetzen. Kögeböhn berichtet von #NameTheTranslator-Kommentaren zu Beiträgen beispielsweise von Deutschlandfunk Kultur, wenn der Name des Übersetzenden im Post vergessen wurde: Hier werden Lesende zu Multiplikatoren für die Sichtbarkeit der Branche.

Fazit

Das Podium hat erstaunlich viele Möglichkeiten aufgezeigt, als Übersetzende selbst für Sichtbarkeit zu sorgen – für sich persönlich und für die Zunft. Die Übersetzerinnen auf der Bühne wünschen sich dabei alle Akteure in der Branche als Verbündete: Verlage, Buchhandel, Publikum.  Das Publikum – ganz überwiegend selbst Übersetzende – konnte definitiv ein Handvoll Inspirationen mitnehmen. 

Lisa Kögeböhn ist Literaturübersetzerin und nutzt ihren Instagram-Kanal @koegeboehnsche für berufspolitische Belange.

Karen Nölle ist Literaturübersetzerin und Präsidentin des Freundeskreises zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e. V..

Katharina Schmidt ist Literaturübersetzerin, aktives Mitglied der Weltlesebühne und organisiert für die BücherFrauen die Veranstaltungsreihe "Frauen in der Frankfurter Literaturszene".

Judith Weber ist Programmleiterin des mareverlags, der Übersetzer*innen seit der Verlagsgründung vor 20 Jahren auf dem Buchcover nennt.

Dr. Dania Schüürmann ist Literaturübersetzerin und moderiert Veranstaltungen zu Literatur und Übersetzung.