Angeregt durch das Jahresthema „Inklusion und Diversität“ trafen sich die BücherFrauen der Leipziger Regionalgruppe zu einer Führung durch die DZB, mit dabei auch unsere 1. Vorsitzende Jana Stahl.
Idyllisch gelegen im gründerzeitlichen Waldstraßenviertel verleiht, versendet, verkauft und produziert die DZB Literatur und Information für blinde bzw. sehbehinderte Menschen sowohl als Brailledrucke wie auch als Hörbücher, Tast- und Fühlgeschichten für Kinder, Reliefs, sogar Noten. Die Einrichtung geht auf den 1894 gegründeten „Verein zur Beschaffung von Hochdruckschriften für Blinde zu Leipzig“ zurück und befindet sich seit 1953 im Gebäude der ehemaligen Höheren Israelitischen Schule. Viel Geschichte und doch noch spannender war das Heute für uns, in das uns die Vorstandsvorsitzende des Fördervereins Dr. Sylke-Kristin Deimig einführte.
Nur ca. 5 Prozent der jährlichen Neuerscheinungen im Schwarzdruck für die Sehenden können in Brailledruck übertragen werden. Die Auswahl trifft eine Kommission unter Berücksichtigung von Nachfrage und Vorschlägen, die die über 5.000 Nutzerinnen und Nutzer einreichen können. Die Produktion einen Buches in Brailledruck ist aufwendig, wie wir in den verschiedenen Abteilungen feststellen konnten. Grundsätzlich funktioniert der Arbeitsablauf wie bei den „gewöhnlichen“ Schwarzdruckbüchern. Nachdem die Programmleitung sich für einen Titel entschieden hat, ist das Lektorat am Zug, das den entsprechenden Titel zunächst per Computerprogramm überträgt. Eine sehende Person gleicht dann u. a. typografische Auszeichnungen ab: inhaltlich relevante bleiben und bekommen ein entsprechendes Zeichen vorangestellt, rein ästhetische werden nicht übernommen. Hierbei müssen alle im Schriftbild vorhandenen Informationen bedacht werden, z. B. wenn ein Brief oder ein Chatverlauf dargestellt werden muss. Sehende können das mit einem Blick durch eine andere Schriftart erfassen, aber im Brailledruck, muss es Zeichen für Zeichen von links nach rechts erkennbar werden.
Danach kann punziert werden, d. h. der Text wird in Braillschrift in Metallplatten eingeprägt, mit welchen dann das Papier bedruckt bzw. geprägt wird. In diesem Schritt macht es nun einen Unterschied, ob der Titel direkt von den Verlagen zur Verfügung gestellt wurde oder eingescannt werden musste, da in letzterem Fall dann ein Korrekturgang unabdingbar ist. Dann lesen sich eine blinde, braillschriftlesende Kollegin und eine sehende den Text gegenseitig zum Abgleich vor. Wie wir hören durften, liest es sich mit den Fingern auch nicht langsamer als mit den Augen.
In der Druckerei fiel uns natürlich der Mangel an Tinte auf und die viele Handarbeit. Es wird Bogen für Bogen gedruckt, teils von Hand gefalzt und zusammengelegt. Auch die Buchbinderei ist Handarbeit, einzig der Beschnitt des Buchblocks wird ausgelassen, weil dabei die Seiten zu stark zusammengequetscht und die Braillschrift beschädigt werden würden. Alle Beschäftigten sollten dabei mindestens die Seitenzahlen in Braille lesen können, insgesamt sind ungefähr 20 Prozent der Beschäftigten selbst blind bzw. sehbehindert.
Daneben gibt es noch die Hörbuchabteilung, deren Aufnahmen zum einem im DAISY-Standard vorliegen, mit dem präzise durch den Text navigiert werden kann, und das vor allem ungekürzt. Die professionellen Sprecherinnen und Sprecher arbeiten sich mit der Aufnahmeleitung durch Belletristik wie Sachbücher, inkl. Register und Fußnoten.
Wie oben schon erwähnt stellt die DZB auch Reliefs her. Das können Landkarten oder Wegepläne von Ausstellungen sein, auch Kalender, bei welchen über den Blättern für Sehende eine Plastikschicht mit Braille und einer Abbildung zum Tasten liegt. Für Kinder gibt es Fühl- und Tastbücher zu kaufen. Jedes Buch ist dabei ein von Hand hergestelltes Unikat, in dem viel Bastelarbeit und Kreativität bei der Materialauswahl steckt. Am unterhaltsamsten war für uns das Kamasutra im Relief, damit sind der Verständigung von Sehenden und Nicht-Sehenden wirklich keine Grenzen gesetzt.
Für uns als Sehende war das ein sehr bereichernder Besuch, der zum um- und weiterdenken inspiriert, wie wir die Welt wahrnehmen, wie sehr wir uns auf unsere Augen verlassen und dabei andere Sinne vernachlässigen.
Text: Marianne Eppelt