Hamburg: Rückschau auf den 19. BücherFrauen-LiteraturBrunch

„Suchbewegungen – eigenwillige Blicke auf eigenwillige Frauen“: Unter diesem Motto stand der 19. LiteraturBrunch, zu dem die Hamburger BücherFrauen am 26. Februar 2023 geladen hatten. Nach einem ausgedehnten Brunch im freundlichen Alsterdorfer Kesselhaus ging es 50 Schritte über den sonnigen Platz zur Kulturküche Alsterdorf, wo für die Lesung schon alles aufgebaut war.

Moderatorin Katharina Gerhardt stellte die Autorinnen kurz vor und bat sie, aus ihren Büchern zu lesen.

Katharina Adler trug den Anfang ihres zweiten Romans „Iglhaut“ vor (erschienen 2022 bei Rowohlt), und so lernten wir nicht nur die titelgebende Hauptfigur, eine Schreinerin, sondern auch einige Bewohner*innen des Münchner Mietshauses kennen, in dem sie ihre Werkstatt hat.

Elina Penner folgte mit einer Lesung aus dem Prolog und dem Kapitel „Glauben“ ihres Debütromans „Nachtbeeren“ (erschienen 2022 im Aufbau Verlag) und gab der Zuhörerschaft einen Einblick in den von strengen Regeln bestimmten Alltag einer russlanddeutschen mennonitischen Gemeinde in Ostwestfalen.

Slata Roschal schließlich las einige Abschnitte aus „153 Formen des Nichtseins“ (erschienen 2022 im Homunculus Verlag und für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert). Ksenia, die Protagonistin ihres Debütromans, ist als Kind aus Russland nach Deutschland gekommen, unter Zeugen Jehovas aufgewachsen, promovierte Literaturwissenschaftlerin, verheiratet und Mutter eines Sohnes.

Auf eine kurze Sekt-, Kaffee- und Snackpause folgte das Gespräch mit den Autorinnen, die sich dank Katharina Gerhardts kompetenter und einfühlsamer Moderation als ausgesprochen auskunftsfreudig erwiesen.

Slata Roschal machte deutlich, welche Bewandtnis es mit der Form des Buches hat: Aus kurzen Abschnitten – neben Reflexionen und Alltagsschilderungen der Protagonistin auch Briefe, Internet-Links, Auszüge aus Ebay-Kleinanzeigen, Einkaufslisten und Zitate aus religiösen Schriften – möchte sie das Bild einer Frau entstehen lassen, die sich inmitten von 153 Nicht-Identitäten positioniert.

Elina Penner, selbst in einer mennonitischen russlanddeutschen Familie aufgewachsen, erzählte von den Besonderheiten dieser nicht nur religiösen Gemeinschaft und von ihrer Muttersprache, dem „Plautdietschen“, von dem wohl die wenigsten der Anwesenden je gehört hatten. Nelli, die Hauptfigur ihres Romans – dessen düsteres Geheimnis Penner den Zuhörer*innen nicht verriet – scheitert an den unterschiedlichen Rollenerwartungen als Enkelin, Tochter, Schwester, Ehefrau und Mutter.

Katharina Adler dagegen sah in ihrer kinderlosen, gelegentlich von Existenzsorgen geplagten, erotischem Erleben nicht abgeneigten Freiberuflerin „Iglhaut“ eine Frau, die sich familiären Bindungen entzieht und ihren Platz unter eigenwilligen, schrulligen, verträumten, patenten, pflegebedürftigen und anstrengenden Charakteren aus der Nachbarschaft sucht und auch findet.

Das Publikum dankte den Autorinnen und der Moderatorin mit lang anhaltendem Applaus. Das Orga-Team des LiteraturBrunches – Brigitte Beier, Maren Giering-Desler, Sibylle Hoffmann, Dörte Kanis, Kristina Poncin und Elvira Willems – dankt hiermit Torsten Meinicke vom Buchladen in der Osterstraße für den Büchertisch, Jürgen Desler für die exzellente Steuerung der Mikrofontechnik, der Stiftung Alsterdorf für ihre Gastfreundschaft und der Hamburger Kulturbehörde für die großzügige finanzielle Unterstützung der Veranstaltung. Wir freuen uns schon auf den nächsten, den 20. Literaturbrunch im Jahr 2024.