Am 17. September 2024 öffnete der Erich Schmidt Verlag anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums seine Türen für die BücherFrauen und bot dabei einen faszinierenden Einblick in seine reiche Vergangenheit und lebendige Gegenwart. Es war eine seltene Gelegenheit, die Entwicklung dieses traditionsreichen Fachverlags hautnah mitzuerleben und mehr über die Herausforderungen und Chancen zu erfahren, denen sich das Verlagsteam heute stellt.
Ein Jahrhundert Verlagsgeschichte
Sibylle Böhler und Christiane Bowinkelmann, führten durch die Verlagsgeschichte und machten deutlich, wie sich der Verlag über die Jahrzehnte als feste Größe in der Fachmedienwelt etabliert hat. Besonders betonten sie das stete Engagement des Verlages für die Themen Sozialrecht, Umweltrecht, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Sie gewährte nicht nur Einblicke in das Archiv des Verlages, sondern auch in seine modernen Strukturen. Sie stellte die aktuellen Programme des Verlags vor und hob besonders die Rolle der ESV-Akademie hervor, die die Verbindung zwischen Fachwissen und praktischer Anwendung in der Berufswelt stärkt.
Juwelen der Verlagswelt
Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Präsentation besonderer Werke aus dem Verlagsprogramm. Unter anderem wurde die Geschichte des Verlags nach dem Zweiten Weltkrieg beleuchtet, als Verlagsgründer Erich Schmidt mutig den Neuanfang wagte, während große Teile Berlins in Trümmern lagen. Das Verlagshaus in der Genthiner Straße blieb jedoch unversehrt und wurde in den Nachkriegsjahren zu einem zentralen Ort des deutschen Verlagswesens. Besonders eindrucksvoll war der Bericht von Dr. Ellinor Kahleyss. Sie schrieb über ihre Tätigkeit im Verlag und ihren Beitrag zum Aufbau des philologischen Programms.
Der Erich Schmidt Verlag und das künstlerische Erbe des Begaswinkels
Der Erich Schmidt Verlag, ein zentraler Bestandteil der Berliner Verlagslandschaft, hat seine Wurzeln in einem historisch und kulturell reichen Umfeld. Die abgeschiedene Lage des Verlagsgebäudes in der Genthiner Straße 30 G zog seit jeher Künstler*innen und Gelehrt*innen an, die die Nähe zur Stadt schätzten, aber deren Lärm und Hektik meiden wollten.
Das Haus, ursprünglich im Besitz des Architekten Klingenberg, wurde Anfang 1900 zu einem Zentrum künstlerischer und intellektueller Begegnungen. Zu Klingenbergs Kunden gehörte der Maler Adalbert Begas, dessen Atelier sich hinter den hohen Bogenfenstern im Obergeschoss des Hauses 30 I befand. Diese Fenster sind noch heute ein markantes Merkmal des Gebäudes, das nach dem Maler den Namen Begaswinkel erhielt. Der Begaswinkel beherbergte nicht nur weitere prominente Künstler*innen wie den Kunstkritiker und Maler Julius Meier-Graefe, sondern auch literarische Größen wie Gerhart Hauptmann, Rainer Maria Rilke und Hugo von Hoffmannsthal.
Besonders hervorzuheben ist die Rolle der Malerin Luise Begas-Parmentier, die 1877 Adalbert Begas heiratete. Als engagierte Kunstförderin und Vorstandsmitglied des Vereins Berliner Künstlerinnen setzte sich Luise Begas-Parmentier zeitlebens für die künstlerische Ausbildung von Frauen ein, als die Kunstakademien noch keine Studentinnen aufnahmen. Ihre eigenen Werke wurden als "Meisterwerke der Stimmung, Poesie und Farbigkeit" gerühmt. Im Salon des Begaswinkels, den sie mit einer Mischung aus Intellekt und Gastfreundschaft prägte, fanden regelmäßig gesellige und kulturelle Zusammenkünfte statt. Prominente Gäste wie Hedwig Gräfin Brühl, der Kritiker Alfred Kerr und die Tänzerin Isadora Duncan schätzten die einladende Atmosphäre.
Erich Schmidt erwarb das Haus in der Genthiner Straße 1940, und es wurde ab 1941 zum Sitz des Verlags. Dies erwies sich als Glücksfall.
Inspirierende Atmosphäre
Neben den geschichtlichen Einblicken bot der Abend auch Gelegenheit zum Networking und Austausch. In entspannter Atmosphäre bei Getränken und Brezeln würdigten die Gästinnen die starken Frauen des Verlags und ihren unverzichtbaren Beitrag zur Erfolgsgeschichte des Hauses. Der Streifzug durch die Verlagsgeschichte machte deutlich, wie wichtig Austausch und Vernetzung in der Verlagswelt sind.
Herzlichen Dank für den gelungenen Abend.
Christiane Bowinkelmann, Sibylle Böhler, Lea Luna Stahl