Nachruf auf Bettina Schaefer – Erinnerungen an eine leidenschaftliche Zuhörerin, kluge Gesprächspartnerin und unbeirrbare Erzählerin

©Yvonne de Andrés

Ich lernte Bettina Schaefer im Jahr 2017 auf der Jahrestagung der BücherFrauen in Hamburg in der HAW Hamburg -Finkenau kennen. Sie war Teil des Tagungsteams – engagiert, präsent und offen, wie ich sie später immer wieder erleben durfte. Schon in den ersten Gesprächen fanden wir eine gemeinsame Sprache: Feminismus, die Rolle der Frau in den Medien, unsere Erfahrungen mit Pro Quote Medien und den Bücherfrauen – all das verband uns sofort. 

Was folgte, war keine oberflächliche Bekanntschaft, sondern ein echtes, wiederkehrendes Gespräch. Unsere Begegnungen führten uns über die Jahre an verschiedene Orte: in Gedanken zu Michail Gorbatschow, in Diskussionen zu Władysław Bartoszewski, in den von ihr gegründeten jetztzeit-verlag, in die Konrad-Adenauer-Stiftung, wo sie unbequeme Themen mit leiser Beharrlichkeit zur Sprache brachte, und immer wieder in die Hamburger Kunsthalle. Dort trafen wir uns, schauten uns gemeinsam Ausstellungen an, reflektierten das Gesehene und gönnten uns danach Kaffee und Zeit füreinander. 

Bettina konnte zuhören wie kaum jemand. Sie fragte mit echtem Interesse. Und sie schrieb, nicht um sich zu profilieren, sondern um Stimmen hörbar zu machen, die sonst ungehört geblieben wären. 

Bettina war eine beeindruckende Frau, deren Lebensweg nicht geradlinig verlief. Sie wurde am 29. Januar 1962 in eine adlige Flensburger Familie hineingeboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre behütet im Haus ihrer Großeltern. Anschließend zog die Familie erst nach Hamburg-Wandsbek und später nach Laboe. Ihre Schulzeit war nicht einfach: Die Umschulung als Linkshänderin führte zu einer ausgeprägten Legasthenie und Dyskalkulie. Doch Bettina war eine Kämpferin mit einer klaren Stimme und einem großen sprachlichen Gespür. Trotz aller Rückschläge wurde sie Schulsprecherin einer dänischen Nachschule in Tinglev.

Diese frühe Erfahrung, dass das Leben kein leichter Weg ist, hat sie nie bitter gemacht, sondern wach, neugierig und mutig. Bereits mit 17 begann sie eine Ausbildung zur Masseurin und arbeitete auf den Friesischen Inseln sowie später in Berlin. Doch der Wunsch nach Veränderung und Tiefe ließ sie nie los. Ein Aufenthalt auf Sri Lanka und später im Kibbuz in Israel waren prägend für ihr Weltbild, gaben ihr Kraft und Selbstbewusstsein für den nächsten Schritt: Sie wollte Journalistin werden.

Und sie wurde es – nicht auf dem direkten Weg, sondern mit Eigensinn, Geduld und bewundernswerter Ausdauer. Nach dem Volontariat beim „Nordschleswiger“ und ersten Lokalreportagen in Tondern und Flensburg zog es sie nach der Wende in die „Neuen Länder“, wo sie als Reporterin des „Priegnitzers“ tief in die Geschichten der Menschen eintauchte – in einer Zeit des Umbruchs, in der sie nicht nur berichtete, sondern auch genau hinhörte.

Später, in Berlin, lernte sie Felix kennen. Er war beeindruckt von der Energie, mit der sie ihr Studium an der FU absolvierte – berufsbegleitend und gegen viele Widerstände.

Ihre journalistische Arbeit war geprägt von einem genauen Blick auf Menschen, die oft im Schatten standen. Sie berichtete über das Leben in Ostdeutschland nach der Wende, stellte unbequeme Fragen in Kreistagssitzungen und begegnete Zeitzeugen wie Götz George oder Regine Hildebrandt mit Sensibilität und Tiefgang. Als sie für ihre Geschichten keinen Verlag fand, gründete sie kurzerhand selbst einen: Mit dem Jetztzeit-Verlag veröffentlichte sie unter anderem Porträts von Noah Flug, Władysław Bartoszewski, Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow – Menschen, die für Werte wie Versöhnung, Verantwortung und Menschlichkeit standen.

Bettina liebte das Wasser, sei es beim Schwimmen, Surfen oder Rudern. Letzteres hatte sie von ihrem Partner Felix übernommen und bis zuletzt ausgeübt, zuletzt sogar auf dem Nil in Kairo. Sie liebte das Schöne. Sie lebte mit Stil und Liebe zum Detail: Silberbesteck, gebügelte Tischdecken, echte Bilder an der Wand, Musik – von Klassik bis Pop; nur Mahler mochte sie nicht – sie war eine Ästhetin mit Haltung, aber ohne Dünkel.

Ihre Bücher sind keine Denkmalpflege. Sie sind Erinnerungsarbeit mit Haltung. Auch ihr letztes Buch über Gorbatschow wurde ausgezeichnet – einen Tag vor ihrem Tod als Finalist bei den International Book Awards.

Unsere Wege kreuzten sich immer wieder. Ich denke voller Wärme an diese Nachmittage zurück. Und ich bin dankbar für diese Begegnung und dafür, was Bettina mir gezeigt hat: Wie viel Kraft in Klarheit liegen kann. Und wie viel Nähe im Gespräch. Bis zum Ende blieb Bettina hellwach, diskussionsfreudig und neugierig – auf das Leben, auf Menschen und auf Geschichte.

Mit ihrem Tod verlieren wir eine Frau, die hintergründig dachte, klar schrieb, mitfühlend zuhörte und leidenschaftlich erinnerte. Ich habe in Bettina Schaefer eine inspirierende Gesprächspartnerin und Freundin verloren. Sie fehlt.

In Dankbarkeit und Verbundenheit,
Yvonne de Andrés
stellvertretende Vorsitzende der BücherFrauen