Wer ist die Autorin?
Gabriele Riedle (*1958) ist eine deutsche Reporterin und Autorin. Sie war jahrzehntelang in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs, u.a. in Afghanistan, Libyen, Darfur und Tschetschenien. Sie war Kulturredakteurin bei der taz und bei der Woche und Reporterin für GEO. Gabriele Riedle wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2017 für die Dokumentation „Die heimliche Revolution. Frauen in Saudi-Arabien“. In Charlottesville (USA) hat sie zur Geschichte der Kriegsberichterstattung gelehrt und darüber hinaus mehrere Romane veröffentlicht. („Versuch über das wüste Leben“, 2004; „Überflüssige Menschen“, 2012). 2017 hat sie an Julia Jäkel, die Vorstandsvorsitzende von Gruner + Jahr, wegen ihrer Kündigung bei GEO einen offenen Brief geschrieben, in dem sie die Situation von Journalistinnen anprangert. Gabriele Riedle ist Mitgründerin des PEN Berlin (2022).
Worum geht es?
Das Buch, das schon im Untertitel ironisch die männliche Gattung des Abenteuerromans zitiert, reflektiert in einer Mischung aus Reiseberichten, Reportagen und autobiographischen Passagen über die Zunft der Journalisten im Allgemeinen und der Kriegsberichterstatter, zu denen Riedle selbst gehört, im Besonderen. Zugleich handelt es sich um eine Art Erinnerungstext für einen Freund, den Fotografen Tim Hetherington, der in Libyen von einer Granate zerfetzt wurde.
Das Thema des Buches ist aktuell und zugleich zeitlos. Das vorangestellte Zitat aus Robert Burtons „Anatomie der Melancholie“ von 1621 lässt das sofort erkennen. Es geht um den Kampf der vermeintlichen „Kräfte der Freiheit und des Fortschritts“ gegen die vermeintlichen Feinde ebendieser Freiheit und ebendieses Fortschritts; einen Kampf also, der regelmäßig scheitert. Im gleichen Maße geht es um die Rolle der Berichterstatter über diesen Kampf (Selbstdarsteller, Abenteurer, Helden, Parasiten), um die Unmöglichkeit der objektiven Darstellung von Krisen, Konflikten, Gewalt, sozialen und politischen Entwicklungen und um die Erwartung der „Konsumenten“, permanent mit sensationellen Nachrichten und ergreifenden Geschichten versorgt zu werden.
Warum haben wir uns für dieses Buch entschieden?
Das Buch ist inhaltlich relevant und literarisch innovativ (Gattung, Stil). Riedle vermittelt ein zeitloses Thema (die Darstellung von Wirklichkeit durch journalistische und literarische Mittel) aus der erzählerischen Ich-Perspektive in einem fließenden lakonisch-ironischen Stil, der die äußeren Ereignisse und die Wahrnehmung der Erzählerin genau erfasst. Das eigene Schreiben und Berichten werden immer wieder reflektiert.
Der Journalistin muss es um sachliche und emotionslose Aufklärung ihres Publikums gehen, das selbst nicht bei den beschriebenen Ereignissen dabei gewesen ist; die literarische Erzählerin kommentiert mit ästhetischen Mitteln die Bedingungen unter denen journalistische Texte – hier insbesondere über Katastrophen – entstehen; sie zeigt, wie stark sie durch die Dispositionen des Beobachters/ der Beobachterin, die Anforderungen von Redaktionen und die Gesetze medialer Verwertbarkeit gefärbt sind – und damit das Ideal des Journalismus verraten. So werden nicht nur die Krisen, über die berichtet wird, thematisiert, sondern auch die Krise des Journalismus, über die aktuell debattiert wird.
Das Buch lässt sich ganz unterschiedlich lesen: als Persiflage auf den Zustand des Journalismus, als persönliches Trauerbuch, als Reportage über die eigenen Erfahrungen als Krisenberichterstatterin an unterschiedlichen Schauplätzen, als philosophische Reflexion über Sinn und Sinnlosigkeit individuellen Handelns. Trotz des dunklen Grundtons aber werfen einzelne Passagen wie das Porträt des CNN-Reporters Peter Arnett oder das Gebaren von Chefredakteuren in ihrer Komik aufklärerische Schlaglichter auf die Absurdität des Systems Krise – Heldentum – Berichterstattung – Vermarktung. Das wiederum ist Journalismus im besten Sinne.
In ihrem Buch „In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg. Eine Art Abenteuerroman“ kristallisieren sich die Qualitäten von Gabriele Riedle als Journalistin und als Schriftstellerin heraus.
Zudem ist Gabriele Riedle als Aufklärerin über die Situation von Frauen in unterschiedlichen Lebenszusammenhängen hervorgetreten.