Sofi Oksanen: Hundepark

Cover von Oksanen Plöger: Hundepark

Foto: Anita Djafari

Autorin/Übersetzerin: Sofi Oksanen/Angela Plöger

Titel: Hundepark

Verlag/Erscheinungstermin: Kiepenheuer & Witsch 2022

Einreichung der Regionalgruppe: Frankfurt am Main / Rhein-Main

Wer ist die Autorin?

Sofi Oksanen, geb. 1977, ist Schriftstellerin und studierte Dramaturgin, finnisch-estnischer Herkunft. In Finnland mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Finlandiapreis, der Literaturpreis des Nordischen Rates und der Prix Femina. „Hundepark“ ist ihr siebter Roman. Den internationalen Durchbruch schaffte sie mit ihrem Roman „Fegefeuer“, der in 40 Ländern erschien.

Sie gehörte 2014 zur Delegation der Autor:innen des Ehrengasts Finnland auf der Frankfurter Buchmesse und erregte dort bereits große Aufmerksamkeit.

Die Übersetzerin Angela Plöger hat in Berlin, Budapest, Helsinki und Hamburg Finno-Ugristik und Slawistik studiert. Sie lebt als Übersetzerin hauptsächlich finnischer Literatur und Dramatik in Hamburg. 2016 wurde sie mit dem „Ritterkreuz des Ordens des Löwen von Finnland“ für ihre Übersetzungsarbeit ausgezeichnet.

 

Worum geht es?

In diesem Roman, den man auch als Thriller bezeichnen könnte und der auf verschiedenen zeitlichen Ebenen spielt, geht es u. a. um die Verwerfungen in der ukrainischen Gesellschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Im Vordergrund steht die blühende „Fruchtbarkeitsindustrie“, die reichen Europäerinnen, aber auch den einheimischen Oligarchen ihre Kinderwünsche auf Kosten armer Frauen erfüllt. Im Mittelpunkt: Olenka, die nach erfolglosem Versuch, im Westen als Model genug Geld zu verdienen, um auch ihrer Familie zu Hause unter die Arme zu greifen, Karriere in diesem Business macht – und die sich als skrupellose Macherin in den mafiösen Strukturen verstrickt, am Ende nach Finnland fliehen muss und sich ihren Unterhalt als Putzfrau verdient. Dort sitzt sie 2016 in Helsinki in einem der vielen Hundeparks auf einer Bank und schaut einer Familie zu, bis sie die Mutter erkennt und erschrickt. Ihre Vergangenheit holt sie ein, und jetzt fürchtet sie Rache von der Frau, der sie Schlimmes angetan hat.

 

Warum haben wir uns für dieses Buch entschieden?

Uns hat überzeugt, dass die Autorin es vermag, das sensible Thema Unfruchtbarkeit und das brutale Geschäft mit dem Kinderwunsch in einen fesselnden Roman zu packen. Der Plot, den sie um diese Thematik kreiert, triff ins Herz. Dass dieses Geschehen hauptsächlich in der Ukraine verortet ist, gibt dem Werk besondere Aktualität und Brisanz.

Die Lebensumstände in der Ukraine vor dem russischen Überfall werden plastisch und sehr kenntnisreich, präzise und detailliert geschildert, vor allem die schwierige Situation der Frauen, die das Handeln der Opfer wie auch der „Täterin“ Olenka plausibel erscheinen lassen.

Interessant finden wir das geschichtliche Tableau, wir erfahren, welche Atmosphäre in der Ukraine nach dem Zerbrechen der UdSSR herrschte, welche gesellschaftlichen Strömungen und daraus resultierenden Zwänge es gab und gibt. Die Leser:innen werden auch damit konfrontiert, dass es eben auch beim „Opfer“ (des kriegerischen Überfalls) kein Schwarz/Weiß gibt, keine eindeutige Zuordnung von Gut und Böse. Ebenso unklar – und damit auch irritierend und anregend – ist die Zuordnung der Hauptfigur und Erzählerin Olenka, sie ist gleichzeitig Opfer wie Täterin.

Überzeugt hat uns zudem Oksanens sprachliche, stilistische und kompositorische Kompetenz, mit der die Autorin es schafft, hochkomplexe Zusammenhänge in einen spannenden Roman zu packen, der lange nachwirkt.

Sofi Oksanen wäre, gemeinsam mit ihrer Übersetzerin Angela Plöger, eine würdige Preisträgerin der „Christine“ 2023.