Meiken Endruweit, Vorstandsmitglied der BücherFrauen, diskutierte zum Jahresthema „Unsere Branche neu denken: Nachhaltige Entwicklung braucht Feminismus!“ mit den Verlegerinnen Charlotte Stiefel vom Kinderbuchverlag Neunmalklug, Dr. Sabine Manke vom Büchner-Verlag, und der Leiterin der Chemnitzer Stadtbibliothek Corinna Meinel. Im Fokus der Podiumsdiskussion standen die neuesten Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit innerhalb der Buchbranche sowie die Frage, welche Rolle der Feminismus dabei spielt.
Aller Anfang birgt ungeahnte Chancen
Für Sabine Manke war die Übernahme von Verantwortung durch Teilhabe innerhalb des Büchner-Verlages ein Schlüsselmoment. Der Verlag wurde ursprünglich als ambitioniertes Freizeit-Projekt gegründet. und 2012 in eine Genossenschaft überführt – als Modell für solidarisches und gleichberechtigtes Arbeiten. Als 2017 neue Verantwortliche für den Verlag gesucht wurden, endete dies deshalb nicht – wie sonst in der Branche gewohnt – mit einem Verkauf des Unternehmens. Stattdessen zeichneten Manke und drei Kolleg*innen jeweils einen Anteil à 100 Euro und ließen sich in den Vorstand wählen. „Plötzlich vom Angestelltenverhältnis durch Mitgliedschaft und Teilhabe aktiv das Schicksal mitbestimmen zu können, verändert Gefühle. Und das Sein verändert wiederum das Bewusstsein,“ so Manke, die zugleich veranschaulichte, dass diese vorteilhaften Umwälzungsprozesse durchaus schmerzhaft sein können.
Für Charlotte Stiefel vom Kinderbuchverlag Neunmalklug war es vor über 10 Jahren ebenfalls nicht einfach. Für sie stand von Beginn an fest, Bücher im Cradle to Cradle-Prinzip (C2C) zu verlegen . Dabei handelt es sich um ein Prinzip zweier geschlossener Kreisläufe: Dinge sind entweder biologisch abbaubar oder zerlegbar und wieder verwendbar. Das entsprach nicht dem gängigen Standard der damaligen Zeit: Weichmacher in Kinderbüchern waren noch immer üblich und ökologische Nachhaltigkeit höchstens in Nischen bekannt. Die Utopistin Charlotte wollte es ändern und tat es, gemeinsam mit ihrer Kollegin Sarah Roller gründete sie ihren Verlag.
Corinna Meinel wies darauf hin, dass Bibliotheken durch das Leihen und Teilen von Büchern und Medien zunächst einmal grundsätzlich nachhaltig seien und damit den Nachhaltigkeitszielen der UN zumindest teilweise gerecht würden: Es ist zum einen ein ressourcenschonender Akt, da Medien von mehreren Personen über einen langen Zeitraum genutzt werden können. Zum anderen ist es auch im sozialen Sinne nachhaltig, da Menschen mit wenig finanziellen Mitteln Zugang zu Bildung erhalten. Dennoch gibt es auch in Bibliotheken viele Bereiche, an denen noch aktiv an der Nachhaltigkeitsschraube gedreht werden kann. Meinel sprach unter anderem Themen wie Arbeitsorganisation, Digitalisierung und die Büroausstattung an. Jeder Aspekt von Nachhaltigkeit sei wichtig zu betrachten.
Mit Netzwerken ein ganzheitliches Ökosystem entwickeln
Die beiden Verlegerinnen Charlotte Stiefel und Sabine Manke betonten, dass ein ausgebautes Netzwerk zentral für eine starke und fruchtbare Branche, in der alle gut leben können. Das Netzwerk wird von beiden auch als Überlebensnetzwerk verstanden, mit dessen Hilfe unter anderem die wirtschaftlichen Prozesse besser planbar bleiben. Kooperationen mit Schulämtern, literarischen Vermittlungen, anderen Verlagen und Organisationen helfen dabei, den eigenen Verlag breiter aufzustellen und sichtbarer zu werden.
Für die Bibliothekarin Meinel, liegt das Erreichen von Klimaneutralität für Bibliotheken noch in weiter Ferne. Zu groß sei die Abhängigkeit von äußeren Rahmenbedingungen. So müssten sich Bibliotheken beispielsweise in bestehende Immobilien einmieten, die keine gute Klimabilanz haben, oder Bücher von Verlagen kaufen, die nicht klimaneutral produzieren. Als Kooperationspartnerin sei es den Bibliotheken jedoch wichtig, bei nachhaltiger Entwicklung bestmögliche Ergebnisse erzielen zu können, vor allem als Ort der Information, des Austausches und der Bildung.
Nachhaltigkeit durch Vielfalt
Während die Kinderbuchverlegerin Stiefel zu Beginn ihrer Tätigkeit das Thema Nachhaltigkeit in ihren Büchern nicht aufnehmen konnte, da es nicht von allgemeinem Interesse war, sei es momentan en vogue. Mittlerweile gibt es im Neunmalklug Verlag bereits drei Bücher zum Thema im Programm, weitere sollen folgen. Der Büchner-Verlag hat in den letzten Jahren unter Sabine Manke Themen aufgegriffen, die sie selbst interessierten oder die sonst kaum thematisiert werden. Es ist ihr Anliegen, dass auch die stillen Stimmen gelesen werden können.
Als die Moderatorin Meiken Endruweit nach den Highlights des vergangenen Jahres fragte, strahlten alle drei. Zwar sei es noch sehr wenig, so Manke, aber immerhin könne es sich der Büchner-Verlag mittlerweile leisten, einzelne Titel ökologisch zu drucken, im letzten Jahr „Unter Strom“ von Petra Krumme – ein Buch über die wachsende Energiedemokratie-Bewegung in den USA. Stiefel ist Mitglied des Cradle to Cradle-Vereins und sie freue sich beim jährlichen Kongress vor allem über neue Unternehmerinnen mit spannenden Innovationen, wie beispielsweise der Herstellung von Kunststoff ganz im C2C Prinzip. Die Chemnitzer Stadtbibliothek hat mittlerweile eine Saatgutbibliothek angelegt, ein Lastenfahrrad, eine neue Fahrbibliothek mit Elektroantrieb und veranstaltet jährlich eine Nachhaltigkeitswoche mit Kleidertauschbörse und -Party, worüber Meinel freudestrahlend berichtete.
Worauf es wirklich ankommt: ein starkes Netzwerk
In dem, was wichtig ist, waren sich alle drei einig: ein starkes und vielfältiges Netzwerk, offene Augen für neue Inspirationen und Innovationen, gemeinsam an den Zielen arbeiten und kooperieren, die Scham ablegen und gemeinsam mit der Unterstützung durch die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaft eine nachhaltige Buchbranche erschaffen.
Ein starker Baustein des Großen und Ganzen ist das Branchennetzwerk der BücherFrauen, das alle Teilbereiche vereint und zusammenführt. Mit dem diesjährigen Jahresthema „Unsere Branche neu denken: Nachhaltige Entwicklung braucht Feminismus!“ verfolgen die BücherFrauen das Ziel, bis Ende 2024 einen 10-Punkte-Plan vorlegen zu können, in dem konkrete Vorschläge enthalten sind, wie Feminismus und Nachhaltigkeit die Branche wandeln können.
Danke an die Panel-Teilnehmerinnen!
Dr. Sabine Manke
hat Europäische Ethnologie und Neuere Literatur und Medien in Marburg, Washington DC und Athen studiert. Sie arbeitete knapp 20 Jahre in einem Wissenschaftsverlag, promovierte in dieser Zeit und schloss ein Masterstudium „Kultur des Kuratorischen“ ab. Seit 2017 trägt sie gemeinsam mit weiteren ehemaligen Kolleg:innen Verantwortung für den genossenschaftlich organisierten Büchner-Verlag.
Charlotte Stiefel
ist gelernte Buchhändlerin und hat Verlagswesen studiert. Schon während des Studiums setzte sie sich sehr mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander und wollte nachhaltige Bücher machen. Sie gründete den neunmalklug Verlag und produzierte gemeinsam mit der Druckerei gugler die weltweit ersten Pappbilderbücher, die Cradle to Cradle zertifiziert sind. Mit ihrem ersten Titel Marta & Piet, gewann sie ein paar Jahre später den Deutschen Nachhaltigkeits-Preis. Seit 2017 führt sie den Verlag gemeinsam mit Sarah Roller.
Corinna Meinel
hat einen Master in Bibliotheks- und Informationswissenschaften. Sie hat an verschiedenen Wissenschaftlichen Bibliotheken gearbeitet bevor sie 2021 Leiterin der Stadtbibliothek Chemnitz wurde.
Meiken Endruweit
nach dem Studium (Philosophie, Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft und Gender Studies) arbeitete sie als Lektorin, Übersetzerin und schrieb Reisetexte. Seit 2020 begleitet sie als Design Thinking Coach (hpi) und mit Methoden und Ansätzen aus der Positiven Psychologie Gruppen und Teams in Workshops zur Organisationsentwicklung und zum Teambuilding. Ihre Themen sind Diversität, Kollaboration, Future Skills, New Work und Nachhaltigkeit.