Elisa ist eine wahrhaft faszinierende Hauptperson. Sie ist selbstgerecht, humorlos, intolerant, glaubt, dass sie an Minderwertigkeits-komplexen leidet, findet sich aber irgendwie auch ganz toll. Nie verlässt sie ihre Kammer ohne perfektes Make-up; dass ihre Schwester Amanda sich nicht schminkt, findet sie empörend. Auf Reisen, und sie reist viel, isst sie immer nur Pizza, lokale Küche interessiert sie nicht, aber anderen unterstellt sie auf den ersten Blick, sich nicht auf fremde Sitten einlassen zu können. Elisa ist 45, arbeitet als Therapeutin mit traumatisierten Frauen aus dem Frauenhaus, ist aber zugleich aktiv in einer Theatergruppe. Sie hat zwei Söhne mit dem Regisseur Vinzent, mit dem sie aber nicht zusammenlebt, das wäre schließlich bürgerlich. Elisa hat einen Haufen Probleme, und, anders als sonstige Frauen in ihrem Alter, keine Freundinnen, die ihr bei der Problembewältigung helfen können. Dafür hat sie Männer en masse: Vinzent, den Therapeuten Adam, ihren Schwager Bruno, Oskar aus der Theatergruppe, und, nachdem sie beschlossen hat, ein Jahr in Frankreich zu leben, den neuen Nachbarn Ludo. Keinen von allen weist sie richtig ab, keinen lässt sie richtig an sich heran, sie macht Eifersuchtsszenen, die Männer sollen alles hinnehmen – und tun das auch. Elisa träumt viel, im Wachen führt sie Phantasiegespräche mit ihren Männern, oft wissen wir beim Lesen nicht, ob das hier Wirklichkeit oder Phantasie ist. Erinnerungsbilder scheinen eine Erklärung für Elisas unausgegorenes Verhalten zu liefern, aber abermals ist unklar: Sind es richtige Erinnerungen, die hier wach werden, oder schieben sich die Berichte der Frauen aus dem Frauenhaus darüber? Und immer wieder zeigt es sich, dass es auch andere Erinnerungsbilder geben kann, dass der Vater vielleicht kein übergriffiger Nazi war, sondern einfach ein Opfer der Umstände, das mit seinem Leben so wenig fertig wurde wie jetzt seine Tochter. Diese Konstruktion gibt dem Roman einen Sog und eine Spannung, denen sich die Leserin absolut nicht entziehen kann. Elisa wird nicht sympathischer, aber wir fiebern mit ihr auf über 500 Seiten und sind dann überrascht von der Lösung, die sie schließlich für sich findet. Einziger Kritikpunkt: die vielen Druckfehler, nur drei Beispiele: Rebock, Grenpeace, George Brassens. Dem Buch und der Autorin ist also bald eine korrigierte Neuauflage zu wünschen.
Astrid Schmeda: Hinter den Kulissen
Edition Contra-Bass, 2020
broschiert, 548 Seiten
ISBN: 978-3-943446-47-0, 19,00 €