Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Zwischen Zeilen und Zeiten

Geschichte, Markt und Menschen
Mit „Zwischen Zeilen und Zeiten“ legt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels eine außergewöhnliche Festschrift zu seinem 200-jährigen
Bestehen vor. Statt einer nüchternen Chronik bietet das Buch eine lebendige Sammlung von rund 70 Beiträgen in über 200 kurzen Essays. Ziel ist es,
Geschichte und Gegenwart von Buchhandel, Verlagswesen und Kulturwirtschaft lebendig werden zu lassen - und das ist eindrucksvoll gelungen.
Vielfalt der Perspektiven - zwischen Markt, Macht und Menschen. Das Themenspektrum reicht von Lesekonjunkturen, Zensur und Ökonomie bis hin zu
Gestapo-Razzien, Branchenevents und Erholungsheimen für Buchhändler. Die Beiträge eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf die Rolle des
Börsenvereins und seiner Mitglieder in einer sich wandelnden Branche. Dabei besticht der Band nicht zuletzt durch seine literarische und thematische
Vielfalt. Mal nüchtern analytisch, mal anekdotisch und persönlich schlagen die Essays Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen
Alltag und Geistesgeschichte, zwischen wirtschaftlicher Realität und kultureller Bedeutung.
Seit 1825 versteht sich der in Leipzig gegründete Börsenverein als Mittler zwischen Wirtschaft und Kultur - auch in politisch schwierigen Zeiten. Die
Festschrift beleuchtet Höhen und Tiefen, Anpassung und Aufbegehren und zeigt, wie eng Markt und Moral in der Buchbranche miteinander verwoben
sind. Sonderkapitel widmen sich der Entwicklung des Buchmarktes in Deutschland unter verschiedenen politischen Systemen und in Krisenzeiten, der
Rolle der Verlage im Widerstand und der Wahrung der künstlerischen Freiheit.
Das Beziehungsgeflecht der Buchbranche
Besonders gelungen ist der Fokus auf die „Menschen hinter den Büchern“. Die Beziehungen zwischen Autor*innen und Verleger*innen, Händler*innen
und Leser*innen, Außenseiter*innen und Meinungsmacher*innen werden in ihrer ganzen Komplexität sichtbar gemacht. Der Buchhandel erscheint hier
nicht nur als Wirtschaftszweig, sondern als soziales und kulturelles Netzwerk, das unsere Gesellschaft seit zwei Jahrhunderten prägt.
Ein weiterer Meilenstein war 1975 die Gründung des ersten Frauenbuchladens „Lillemor’s Frauenbuchladen“ in München, ein Symbol für den sich
entwickelnden Fokus auf Diversität und die Sichtbarkeit von Frauen in der Welt der Literatur und des Buchhandels. Ein Meilenstein in der Geschichte
des Börsenvereins war 1989 die Wahl von Dorothee Hess-Maier zur ersten Vorsteherin - ein Schritt, der das lange umkämpfte Thema Frauen in der
Buchbranche thematisierte und eine neue Ära im Verband einleitete. Auf den Buchtagen des Börsenvereins in Berlin wurde 2019 Karin Schmidt
Friderichs, Verlegerin des Hermann Schmidt Verlags, mit 500 von 943 abgegebenen Stimmen zur künftigen Vorsitzenden des Branchenverbandes
gewählt. „Genauso wie damals brauchen wir als Branche heute und in Zukunft eine starke Solidargemeinschaft, eine effektive Interessenvertretung und
das Bewusstsein für unseren gemeinsamen Auftrag, Demokratie, kulturelle Vielfalt und Bildung zu fördern“, so Karin Schmidt-Friderichs.
„Zwischen Zeilen und Zeiten“ ist ein klug kuratierter Streifzug durch 200 Jahre Buchgeschichte, der Lust auf mehr macht. Wer sich für Bücher,
Geschichte, Kultur und Wissen interessiert, findet hier reichlich Lesefutter - informativ, unterhaltsam und oft überraschend. Es zeigt nicht nur die
wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Buchmarktes, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Strömungen, die die Buchbranche über
die Jahrzehnte geprägt haben. Ein würdiges Jubiläum für einen Verband, der seit zwei Jahrhunderten die Grundlagen für unsere Buchkultur legt.
„Zwischen Zeilen und Zeiten. Buchhandel und Verlage 1825-2025. Eine andere Geschichte des Börsenvereins“
Herausgegeben von Christine Haug und Stephanie Jacobs
Taschenbuch, 568 Seiten
Wallstein Verlag, Göttingen 2025
ISBN 978-3-8353-5847-8
Preis 28,00 EUR

Eine Empfehlung von Yvonne de Andrés
Yvonne de Andrés arbeitet als Kuratorin und Kulturmanagerin für Verlage, Stiftungen und Organisationen. Sie ist Mitglied im Vorstand des Deutschen Frauenrats und dort zuständig für das Thema Intersektionalität.
Transparenzhinweis: Die Empfehlung erfolgt aus Eigeninteresse und nicht aus wirtschaftlichen Gründen.