Wann ist ein Gedicht ein Gedicht? Zum Welttag der Poesie erfreut uns das Verlagshaus Berlin mit einem schmalen Essayband von Lea Schneider, liebevoll mit Illustrationen versehen von Yimeng WU, der sich zwischen den Genres bewegt – am ehesten vielleicht poetische Essays, verbunden durch künstlerische Explorationen und feinste Typografie.
Die in „made in china“ zusammengestellten Texte sind erwachsen aus den Beobachtungen, die die Autorin in den vergangenen Jahren in sechs chinesischen Metropolen – Nanjing, Shanghai, Hongkong, Taipei, Chengdu und Beijing – zusammengetragen hat. Verdichtete Reflexionen, wie Tagebucheintragungen mit sorgfältigen Annotationen versehen, die sich zum Beispiel um die chinesische Geschichte, die chinesische Sprache und den Charakter von Übersetzungen weben – mäandernd zwischen aktuellen Betrachtungen und historischen Bezügen. Und immer wieder dies: „ich habe das nicht gewusst.“
Sprachfragmente, ein Sammeln und Suchen, Vortasten … „worte, die wichtig sind. worte, die nützlich sind. wie spreche ich von den worten, die meine sprache nicht spricht.“ Lea Schneider behauptet nicht zu kennen, nicht die eigene und auch nicht die fremdere Kultur, erklärt nicht, führt auf, nähert sich an, beschreibt, vorsichtig, respektvoll, achtsam. So schlägt sie überraschende Brücken zwischen den Sprachinseln, Objekten, Menschen, Geschlechtern.
Die durchgängige Kleinschreibung harmoniert hervorragend mit der chinesischen Umschrift und die in der Randspalte aufgeführten Literaturverweise stellen schon für sich eine lesenswerte Sammlung dar.
Begeisterung pur! für den Verlag, der diese chinesisch-deutsche Gemeinschaftskreation unter seine Fittiche genommen hat und im Juli seinen 15. Geburtstag feiert.
Lea Schneider: made in china (poetische Essays)
Verlagshaus Berlin, 2020
Edition Belletristik
Softcover, 120 Seiten
ISBN 978-3-945832-38-7; 17,90 Euro
Illustrationen: Yimeng WU
Lektorat: Jo Frank
Gestaltung & Satz: Andrea Schmidt