Rebekka Endler entzaubert das Patriarchat: „Witches, Bitches, IT-Girls“

Was ist hier eigentlich „normal“?

In „Witches, Bitches, IT-Girls“ seziert sie ein ebenso altes wie hartnäckiges Machtgefüge: das Patriarchat. Ihre zentrale These: Alles, was wir für „normal“ halten – von Schönheitsidealen bis zum Familienmodell – ist ein Produkt kultureller Zurichtung. Und diese vermeintliche Normalität ist nichts anderes als ein wirkmächtiges Herrschaftsinstrument.
Bereits im ersten Kapitel geht Endler dem Begriff der Normalität auf den Grund und zeigt, wie dieser dazu dient, Körper, Verhalten und Lebensentwürfe zu disziplinieren. Ob „Momfluencer“-Idylle, Yoga-Hype oder die chronische Unterrepräsentation weiblicher Anatomie in der medizinischen Forschung – all das sind laut Endler keine Zufälle, sondern Symptome eines Systems, das Frauen kleinhält und einengt.

Der männliche Blick – und seine blinden Flecken
Ein weiteres zentrales Kapitel widmet sich dem „male gaze“, dem männlichen Blick, der seit Jahrhunderten unsere Kultur prägt. Endler illustriert dies am Genre des True Crime, in dem die Frau meist das Opfer ist: jung, weiß, cis und halb nackt im Wald drapiert. Eine Ästhetik des Leidens, die Täter strukturell ausblendet und das Leid spektakulär inszeniert.

Doch Endler beschränkt sich nicht auf die Analyse medialer Klischees. Sie geht noch einen Schritt weiter und untersucht den Kanon der Kunst, der Literatur und der Wissenschaft. Warum verschwinden Künstlerinnen aus der Geschichte? Warum gelten männliche Werke und Sichtweisen als allgemeingültiger Maßstab? Ihre Antwort ist unbequem – und notwendig. Weil wir alle – Männer wie Frauen – das patriarchale System mittragen.

Zwischen Pop und Politik wirft sie einen scharfen, klugen Blick
Endlers Stil ist rasant, bildreich und zugänglich. Sie zitiert wissenschaftlich fundiert, verknüpft Popkultur mit soziologischer Theorie und schreckt nicht vor Selbstkritik zurück. Besonders eindrücklich sind jene Passagen, in denen sie eigene Vorurteile reflektiert oder den „Feminismus von rechts“ analysiert, also jene reaktionären Tendenzen, die sich weiblicher Selbstermächtigung bedienen, um letztlich männliche Macht zu stabilisieren. Ihre Kritik macht nicht an der politischen Rechten halt: Auch in linken Kreisen diagnostiziert sie gefährliche Rückfälle, beispielsweise die zunehmende Transfeindlichkeit oder die Romantisierung der Mutterrolle.

Zwischen Analyse und Hoffnung
Nicht alle Thesen in „Witches, Bitches, IT-Girls” sind neu, aber Endlers Art, sie zu verknüpfen, zu aktualisieren und auf den Punkt zu bringen, ist bemerkenswert. Sie zeigt, wie alte Mythen in neuen Gewändern zurückkehren und wie sich das Patriarchat ständig selbst erneuert – auch durch die Beteiligung von Frauen.

Doch das Buch endet nicht in Resignation. Im Gegenteil: Es skizziert mögliche Auswege, neue Allianzen und kollektives Empowerment. Der Widerstand beginnt mit Wissen, Sprache und Sichtbarkeit.

Mit Witches, Bitches, It-Girls liefert Rebekka Endler eine scharfsinnige, wütende und zugleich ermutigende Analyse gegen den patriarchalen Mainstream. Ein Buch, das aufrüttelt – nicht, weil es laut ist, sondern weil es die leiseren Strukturen der Macht kenntlich macht. Lesenswert für alle, die glauben, Feminismus sei ein Thema von gestern.
Nicht jede These in „Witches, Bitches, IT-Girls” ist neu – aber Endlers Art, sie zu verknüpfen, zu aktualisieren und auf den Punkt zu bringen, ist bemerkenswert. Sie zeigt, wie stark alte Mythen in neuen Gewändern zurückkehren, wie das Patriarchat sich ständig selbst erneuert – auch durch die Beteiligung von Frauen.

Doch das Buch endet nicht in Resignation. Im Gegenteil: Es skizziert mögliche Auswege, neue Allianzen, kollektives Empowerment. Der Widerstand beginnt mit Wissen, Sprache und Sichtbarkeit.

Rebekka Endler liefert mit „Witches, Bitches, IT-Girls” eine scharfsinnige, wütende und zugleich ermutigende Analyse gegen den patriarchalen Mainstream. Ein Buch, das aufrüttelt – nicht, weil es laut ist, sondern weil es die leiseren Strukturen der Macht kenntlich macht. Lesenswert – für alle, die glauben, Feminismus sei ein Thema von gestern.
 


Witches, Bitches, IT-Girls
Rebekka Endler
Fester Einband mit Schutzumschlag
464 Seiten
ISBN:  978-3498007409
Preis: 25 Euro
 

Eine Empfehlung von Yvonne de Andrés

Yvonne de Andrés verbindet kuratorische Expertise mit kulturpolitischem Engagement. Als Kuratorin und Kulturmanagerin arbeitet sie für renommierte Verlage, Stiftungen und Organisationen. Besonders engagiert ist sie in der Gleichstellungspolitik: Sie war Mitglied im Vorstand des Deutschen Frauenrats und vertritt dort die Bücherfrauen. Aktuell kuratiert sie das Sachbuchprogramm der Doxumentale und ist für die Cordts Art Foundation tätig – an der Schnittstelle von Kunst, Bildung und gesellschaftlichem Diskurs.

Transparenzhinweis: Die Empfehlung erfolgt aus Eigeninteresse und nicht aus wirtschaftlichen Gründen.