Im Kopf der Übersetzerin. Wie Menschen übersetzen (Comic)
„Was mag im Kopf der Übersetzerin nur vorgegangen sein, das hier so zu übersetzen?“ Wer diesen Gedanken so oder ähnlich schon einmal hatte – und noch nie selbst einen Text übersetzt hat –, kann nun dabei sein, live, in schwarz-weiß. Der VdÜ hat sich zum Jubiläum einen Comic aus dem Polnischen übersetzen lassen, in dem es um Übersetzungen geht. Natürlich nicht ohne einen Anhang, in dem auf die Probleme und schwierigen Stellen der Übersetzung hingewiesen wird – die Meta-Ebene der Meta-Ebene.
Das Comic beginnt mit dem Interview einer Übersetzerin, das Loriot-haft mehrfach angesetzt wird, bis die Erzählerin ganz am Anfang anfängt, mit dem Entstehen von Sprache überhaupt, um dann anekdotenhaft die Geschichte vom Übersetzen im Zeitraffer zu präsentieren. Dem Hinweis, dass es unendlich viele übersetzte Texte im Alltagsleben gibt, folgt eine kleine Abhandlung zu den verschiedenen Arten des Übersetzens, literarisches, lyrisches, Filmübersetzen und Dolmetschen mit ihren jeweils speziellen Tücken. Erwähnt wird auch, dass die Bezahlung keinesfalls dem nötigen Wissen, dem Aufwand und der Expertise entspricht.
Der wichtigste und interessanteste Teil des Comics kommt beim Besuch des Übersetzerinnengehirns: Was passiert, wenn eine Sprache in eine andere transferiert werden soll? Es werden ja nicht einfach Standardprozesse abgerufen, die erste Bedeutung ist nicht immer die passende und dann kommt dazu noch viel Wissen um die Umstände, die Assoziationen, die Lebenswelt einer anderen Sprache. Anschaulich werden die Fallstricke erläutert, die bei einer Übersetzung umschifft werden müssen. Und wie eine Übersetzung dann doch gelingen kann, letztendlich vor allem durch die Musen, die in der kreativen Zentrale des Übersetzerinnengehirns arbeiten.
Der Comic wurde von fünf verschiedenen Illustrator:innen gezeichnet. Die unterschiedlichen Teile der Geschichte heben sich in der Art der Zeichnungen voneinander ab. Die Übersetzung ins Deutsche besorgte Dorothea Traupe, die auch den Anhang mit den Erläuterungen gestaltete: Welche berühmten Passagen bekannter Autoren herausgesucht werden mussten, warum ein Beatles-Song ausgetauscht werden musste (Hinweis: zählt mal Silben) und warum eine Metapher nicht gleich eine Metapher ist.
Zum Glück wird am Ende noch ganz kurz erklärt, warum überhaupt jemand einen Beruf ausüben möchte, in dem häufig unter prekären Bedingungen in Solo-Selbstständigkeit gearbeitet wird, wobei dann auch noch das eigene Tun meist weder auf dem Buchtitel erscheint noch in anderer Weise Aufmerksamkeit bekommt (außer natürlich jemand findet das Buch doof, dann ist die Übersetzung schuld). Dass die Menschen, die diesen Comic geschrieben, gezeichnet und übersetzt haben, ihren Beruf lieben wird hier ganz offenkundig – sie feiern sich, ihr Können und ihren Beruf. Herzlichen Glückwunsch dem Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen zu diesem schönen Comic und natürlich zum 70-jährigen Bestehen!
Im Kopf der Übersetzerin. Wie Menschen übersetzen
Szenario: Tomasz Pindel
Illustrationen & Selbst-Porträts: Daniel Chmielewski, Berenika Kołomycka, Robert Sienicki, Jacek Świdziński, Fanny Vaucher
Übersetzung aus dem Polnischen & Projektmanagement: Dorothea Traupe
Lektorat & Beratung: Myriam Alfano
Titelbild, Layout & Mini-Porträts der Beteiligten auf deutscher Seite: Jona Neugebauer
Lettering: Daniel Chmielewski, Jona Neugebauer
Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e. V. 2024, Berlin
ISBN 978-3-00-079079-9
Mehr Infos unter: https://dorotheatraupe.de/comic-im-kopf-der-uebersetzerin-erschienen/
Die deutsche Sonderausgabe „Im Kopf der Übersetzerin oder Wie Menschen übersetzen“ erscheint 2024 anlässlich des 70. Jubiläums des Verbands deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VdÜ) mit freundlicher Unterstützung durch ver.di.
Eine Empfehlung von Meiken Endruweit
Meiken Endruweit arbeitet als Design Thinking Coach (hpi) zum Thema Diversität in Organisationen und bietet Workshops zu Kreativität, kollaborativem Arbeiten in Teams und Führung an.
Foto: privat
Transparenzhinweis: Die Empfehlung erfolgt aus Eigeninteresse und nicht aus wirtschaftlichen Gründen.