Von nahen und entfernten Verwandten – LiteraturBrunch der Hamburger BücherFrauen 2020

Am Sonntag, den 9. Februar 2020, fand zum 17. Mal der LiteraturBrunch der Hamburger BücherFrauen statt, mit finanzieller Förderung durch die Hamburger Behörde für Kultur und Medien.
Die eingeladenen Autorinnen Tabea Hertzog, Katharina Mevissen und Lola Randl lasen aus ihren Debütromanen „Wenn man den Himmel umdreht, ist er ein Meer“ (Berlin Verlag), „Ich kann dich hören“ (Wagenbach) und „Der Große Garten“ (Matthes & Seitz). Karina Schmidt moderierte die Veranstaltung.


Erstmals fand das beliebte Event in Billie’s Tanzstudio in der Alten Dosenfabrik statt. Unter den 100 Gästen waren auch Dr. Antje Flemming, Leiterin des Literaturressorts der Kulturbehörde, und Jana Stahl, 1. Vorsitzende der BücherFrauen, die anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der BücherFrauen aus Heidelberg angereist war.

Tabea Hertzog begann die Lesung, ohne viele Worte zur Erklärung zu verlieren. Die ersten Seiten ihres Romans machten das Thema klar. Die Protagonistin erfährt von ihrer Nierenerkrankung, beschreibt den Zustand des In-der-Luft-Hängens, wie zwischen zwei Leben. Ihre Beobachtungen, teilweise auch grotesker Momente. Was zählt, wenn man sein Leben plötzlich von einer Krankheit bedroht sieht, und wer ist da? Die Mutter entfernt sich, der Vater war lange Zeit fern, nähert sich aber an. Ein Roman über eine schwierige Zeit, der dennoch leicht, nicht dramatisch daherkommt.

Katharina Mevissens Protagonist ist Cellist, Student in einer Schaffenskrise. Mit seinem Vater möchte er nichts zu tun haben. Nur in der Musik ist er ihm nah, die Musik hat er von ihm, selbst ein Violinist. Schönster Satz: „Eltern, dieses Wort, das zwei Menschen zusammenfasst, als wären sie eine Einheit.“ Von einer Einheit kann in seiner Familie keine Rede sein – an seine Mutter hat der junge Mann wenig Erinnerung. Sie verschwand, als er noch ein Kind war. Seine Tante Elide nimmt so etwas wie die Mutterrolle ein. Dies erfuhren wir in zwei Szenen, die Katharina Mevissen vorlas. Musik in Worte gefasst. Akustische Klänge übersetzt in Sprache.

Lola Randl sorgte für Lacher mit ihrer unverblümten Art. Ihr Roman besteht aus thematisch unterschiedlichen Minikapiteln, zwischen denen sie beim Vorlesen hin und her sprang. Ihre Erzählerin ist eine neurotische Städterin, die mit dem Leben in der ländlichen Uckermark hadert und sich vornimmt, endlich eine richtige Gärtnerin zu werden. So erklärt sie beispielsweise, wie man korrekt ein Beet anlegen muss, was ein Maulwurf in seinem Alltag so vollbringt, oder warum sie neuerdings nicht mehr zum Analytiker geht. Ihre Mutter, die wirklich einen grünen Daumen hat, beobachtet ihre Tochter bei der Arbeit im Garten. „Es ist auch ein Mutter-Tochter-Roman“, sagte Lola Randl. Ein ungewöhnlicher und unterhaltsamer Roman.
Karina Schmidt fragte die Autorinnen nach der Büfettpause über die Motivation für ihre Romane und die Titelgebung. Wir erfuhren etwas über fragmentarisches, fotografisches Schreiben, mit welchem Erzählstrang Katharina Mevissen ihren Roman zu schreiben anfing und wie die ungeduldige Lola Randl vom Filmemachen zum Schreiben gekommen ist.


Etwas früher beendet als geplant wurden Lesung und Fragenrunde durch das Orkantief „Sabine“. Angesichts des angekündigten Sturms sollten die aus Berlin angereisten Autorinnen wieder heil in Berlin ankommen, bevor der Zugverkehr eingestellt würde.


Die drei ganz unterschiedlichen Romane – mit ihren jeweils nahen und entfernten Verwandten – sind jeder für sich absolut zu empfehlen. Wir freuen uns schon auf den nächsten LiteraturBrunch!




Christin Ullmann, für die Vorbereitungsgruppe
Fotos: Elvira Willems
