Zukunftsgipfel Publishing
Auf dem digitalen Zukunftsgipfel Publishing am 25. April wurden von den Publisher Consultants Markus Wilhelm und Olaf Deconinck moderiert viele nützliche Informationen zur Nachhaltigkeit in der Buchbranche präsentiert und angeregt diskutiert. Ein Bericht von Meiken Endruweit.
In seiner Eröffnungsrede betonte Peter Kraus vom Cleff (Hauptgeschäftsführer Börsenverein des Deutschen Buchhandel), dass Nachhaltigkeit eine Chance biete, sich der eigenen Potenziale bewusst zu werden. Um diesen Prozess zu unterstützen, habe der Börsenverein die IG Nachhaltigkeit gegründet. Themen der Nachhaltigkeit, die die Buchbranche besonders unterstützen und verfolgen, seien die Meinungsfreiheit wie auch die Vielfalt – der Meinungen, der Autor*innen, der Verlage, der Zeitungen und Zeitschriften. Er schloss mit der Feststellung, dass Nachhaltigkeit als Zukunftskunst zu sehen sei.
Es folgte eine Darstellung aus der Praxis. Katja Meinecke-Meurer (Geschäftsführerin Tessloff) berichtete, warum ihr Verlag das Thema Nachhaltigkeit so umfassend angegangen ist, obwohl der Verlag aufgrund seiner Größe nicht berichtspflichtig wäre. Die intrinsische Motivation sei, dass der Verlag, d. h. die Autor*innen wie auch die Mitarbeiter*innen dafür stehen, sich um die Zukunft zu kümmern – zum einen, weil sie Kinderbücher herstellen, zum anderen, weil sie den Dingen wissenschaftlich auf den Grund gingen. Weiter sei es eine Frage des Risk-Managements: Die relevanten Risiken des bevorstehenden Klimawandels auf das wirtschaftliche Handel müssten berücksichtigt werden wie auch die geschäftlichen Risiken – Stichwort (zukünftige) Gewinnung von Mitarbeiter*innen ebenso wie Bestandhaben in den Lieferketten-bedingten Berichtspflichten. Dabei sieht Meinecke-Meurer den Verlag nicht als Einzelkämpfer, sondern fordert, dass die Buchbranche ein gemeinsames Ziel formuliert: Wo wollen wir als Branche stehen? Weltweit sei das Klimaziel auf 1,5 °C festgelegt – die Buchbranche sei zurzeit bei 4–6 °C. Tessloff habe inzwischen einen Weg gefunden für ein Wirtschaften, um zu 1,5 °C zu gelangen, also könne das die gesamte Branche auch schaffen.
Dann wurde es konkret und Meinecke-Meurer erläuterte, wie ihr Verlag vorgegangen ist: 1. Gründung einer Projektgruppe mit interessierten Mitarbeiter*innen, 2. Erarbeitung eines Leitbildes, 3. Durchführen einer Relevanz- und Wesentlichkeitsanalyse, 4. CO2-Bilanzierung, wobei es wichtig sei, individuelle Daten zu erheben, um zu wissen, wo genau Änderungen möglich sind und welche Wirkung sie zeigen, 5. Erstellen des DNK-Berichts. Da im DNK die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels nicht gefordert wird, ergänzte Tessloff diese mit der Paris-anligned-Strategy. Als Ergebnis produziert Tessloff nun Bücher mit 30 % reduziertem CO-2-Ausstoß, hat seine Recycling-Quote um 7 % angehoben, die ökologischen Werte sind fester Bestandteil der Unternehmensstrategie, Tessloff fördert ehrenamtliches Engagement der Mitarbeiter*innen, verlegt Bücher zu grüner Energie und anderen Klima-relevanten Themen. Dass mit der Nachhaltigkeit nicht alle anderen Probleme gelöst werden können, sei auch klar, aber, so Meinecke-Meurer: „Alles nutzt nichts, wenn wir die Ökologie nicht in den Griff kriegen.“
Das Thema Scope wurde im Anschluss von Axel Banoth (Geschäftsführer ConClimate) erläutert. Scope bezeichnet die relevanten Parameter, die ein Unternehmen zur Bilanzierung angeben muss: Scope 1 sind u. a. die direkten Abgas-, Wärme-/Kälte- oder Prozessemissionen. Scope 2 sind die Emissionen, die durch den Einkauf von z. B. Wärme/Kälte oder Strom entstehen. Scope 3 fasst u. a. die eingekauften Dienstleistungen, Transport (darunter die – Reise- und täglichen – Wege der Mitarbeiter*innen), aber auch die Kantine und den Bürobedarf zusammen. In Scope 3 entstehen die meisten Emissionen (70–90 %), da hier Rohstoffe, Produkte, Logistik und Verpackung anfallen. Ein pragmatischer Weg mit diesen Erkenntnissen umzugehen ist, branchenweit die Werte zu ermitteln und gemeinsam zu überlegen, wo der Hebel anzusetzen ist. Für die einzelnen Unternehmen gilt es, Datenmanagement aufzubauen, zu definieren, welches die Hotspots sind, und dann ein Datenmonitoring zu etablieren. Der Vorteil dieser Datensammlung sei, dass die Erstellung von Berichten dann jeweils einfacher wird, deutlicher würde, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, sowie auch kenntlich zu machen, welche Maßnahmen Wirkung zeitigten. Damit würde ein Weg eingeschlagen, so Banoth, der die Ergebnisse des Handelns messbar und damit nutzbar würden.
Genau um die messbare Klimawirkung von Unternehmen ging es im folgenden Beitrag von Hannah Helmke(Founder und CEO von right based on science). Ihre Firma begleitet Unternehmen bei der Messung, Steuerung und Kommunikation von Klimazielen. Dafür wird die Klimawirkung des Unternehmens errechnet und zur allgemeinen Erwärmung in Bezug gesetzt, wodurch ein Wert ermittelt wird, der anzeigt, um wie viel Grad die Klimaerwärmung wäre, würden alle Branchen und Unternehmen in dieser Weise wirtschaften. Helmke betonte, wie wichtig es sei, den Weg der Reduktion von Emissionen zügig zu beschreiten, da eine Verzögerung im Jetzt zu wesentlich drastischeren Einsparungen zukünftig führen würde, um dieselben Ziele zu erreichen. Jede Branche hätte eine Rolle auf dem Weg zur Nachhaltigkeit und die Buchbranche würde mit der Kommunikation einen wichtigen Beitrag leisten (können). Sie betonte hoffnungsvoll: „Wir können die Zukunft beeinflussen.“
Dr. Martin Bethke (Senior Partner company companions) stellte im folgenden Beitrag dar, dass wir einem Unfall in Zeitlupe beiwohnen würden, wenn wir über heutige wirtschaftliche Probleme sprechen und daher kein Geld und keine Zeit in die Nachhaltigkeit investierten. Er zeigte auf, dass einige Player in anderen Branchen bereits erkannt hätten, dass ihr Wirtschaftsmodell aufgrund des Klimawandels akut gefährdet sei und daher – wie die Schott AG – ein anderes unternehmerisches Konzept anstreben. Überspitzt formulierte er, dass jegliches Geschäftsmodell gefährdet sei, da ein Wirtschaften immer in dieser Welt stattfinde und daher diese Welt erhalten werden müsse. In Branchen mit vielen KMU wie der Buchbranche sei es umso wichtiger, dass es in der Branche eine Initiative gebe, dass Netzwerke gebildet und genutzt werden sollten, um von anderen zu lernen und andere zu animieren, den ersten Schritt zu machen. Die Angst vor der Komplexität der Veränderung sei große, aber, so schloss Bethke, „Nichts-Tun ist keine Alternative.“
Im Panel-Gespräch wurde dann über mögliche Verbindungen und Zusammenarbeit gesprochen. Konkret sind Papier-Profile im Gespräch, die allen in der Buchbranche ermöglichen würden, das jeweils beste und ökologischste Papier einzukaufen – Wege eingerechnet. Der Bedarf an diesen Papieren könnte auch den Herstellern deutlich werden, wenn die Nachfrage von möglichst vielen Verlagen komme. Es wurde zudem auf das Fernziel regeneratives Wirtschaften hingewiesen, bei dem die verwendeten Ressourcen entsprechend wieder nachwachsen würden. Außerdem ging es auch um das Tun oder Lassen. Hier waren die Fragen: Wo können wir reduzieren und was bringt es? Sowie: Was kostet es, wenn wir es nicht tun? Und weiter: Welche Relevanz hat es für die Zukunft?
Nachhaltigkeit ist kein Projekt, das irgendwann aufhört, waren sich alle Panel-Teilnehmer*innen einig. Nun gilt es, die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit zu kommunizieren und die nötigen Veränderungen zu gestalten. Es geht auch nicht darum, schon perfekt zu sein, sondern zu zeigen: „Wir sind auf dem Weg.“ Vielen Unternehmen in der Buchbranche – kleiner und größer – sei noch nicht bewusst, was die neue CSDR-Direktive der EU, die nächstes Jahr in Kraft tritt, für sie bedeutet. Umso wichtiger sei es, die Kommunikation zu Nachhaltigkeit zu fördern.
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Foto Teaser: Foto: Salmen Bejaoui auf Unsplash