Der Deutsche Frauenrat lud am 16. Juni in die W. Michael Blumenthal Akademie des Jüdischen Museums in Berlin ein, um über eines der drängendsten Themen unserer Zeit zu diskutieren: die Klimakrise mit all ihren Folgen. Bekannt ist, dass Frauen – und marginalisierte Gruppen – die Hauptlast dieser Krise tragen und tragen werden. Hier schließt auch das Jahresthema 2024 der BücherFrauen „Unsere Branche neu denken: Nachhaltige Entwicklung braucht Feminismus“ an.
Um eine feministische Klimapolitik zu entwickeln und etablieren, die erfolgreich auch die sozialen Folgen der Klimakrise abmildert, braucht es außer ambitioniertem politischen Handeln vor allem zunächst: Daten. Wie in so vielen Feldern, fehlen Daten zur Folgeabschätzung gänzlich oder sie sind, wo sie existieren, nicht gendersensibel aufbereitet. Es geht darum, die Ausgangslage der Frauen zu klären, auch im Hinblick auf die besonderen Lebensverhältnisse von Frauen auf der ganzen Welt, die sich merklich voneinander unterscheiden können.
Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats Dr. Beate von Miquel machte sich in ihrer Eröffnungsrede dafür stark, dass die Klimakrise auch als eine Chance begriffen werden kann. Es ginge nun darum, innovative und kreative Lösungen zu finden. Das könnte dafür genutzt werden, die Krise für alle positiv zu gestalten und damit den Wandel für alle zu einer Verbesserung zu führen. Dies sollte anhand der folgenden vier politischen Handlungsfelder geschehen:
- Mobilität und Verkehr
- Strukturwandel von Arbeit
- Bauen und Wohnen sowie
- Klimapolitik und die Energiewende.
Die Teilhabe und soziale Sicherung von Frauen sollte im Vordergrund feministischer Klimapolitik stehen, wie auch die geschlechterkritische Abschätzung der Auswirkung klimapolitischer Maßnahmen.
„Gemeinsam können wir es schaffen – aber dafür muss es endlich losgehen!“
In ihrer Keynote wies Clara Duvigneau (Pressesprecherin bei Fridays for Future) darauf hin, dass die Regierung in Deutschland überwiegend aus Männern bestünde: Nur etwa 35 % der Abgeordneten seien Frauen. Dies schlage sich in der Politik nieder wie auch in den Folgen politischer Entscheidungen. Sie betonte, dass die Klimakrise real sei, wie auch täglich zu spüren ist, und dass die Angst vor dieser Gefahr lähmen könnte. Dennoch rief sie dazu auf, ins Handeln zu kommen, denn: „Gemeinsam können wir es schaffen – aber dafür muss es endlich losgehen!“ "Gemeinsam" bedeutet, dass alle, die der Klimakrise entgegentreten wollen, zusammen an Lösungen arbeiten, damit möglichst viel möglichst schnell bewegt werden kann.
Gotelind Alber (Vorstand GenderCC – Women for Climate Justice) berichtete in Schlaglichtern von der Relevanz von Genderaspekten im Hinblick auf den Klimawandel. Kurz gesagt: Gender ist relevant in allen Aspekten. Belegt ist beispielsweise, dass Unternehmen mit Frauen im Vorstand „grüner“ sind – doch es ist nicht untersucht, warum. Privathaushalte sind dagegen eine Blackbox – es gibt sehr wenige Daten und diese sind dann nicht gendersensibel aufbereitet (z. B. bezieht sich der Energieverbrauch im Haushalt auf alle Mitglieder). Dabei wäre es vor allem nötig, auch die nicht-intendierten Effekte politischer Maßnahmen auf die Gendergerechtigkeit hin zu untersuchen. Als Beispiel hier der Verkehr: statt in den – von Frauen stärker genutzten – ÖPNV zu investieren, werden – von Männer stärker genutzte – Elektroautos gefördert. Dies kann nur durch eine feministische Klimapolitik geändert werden, die auf gendergerechten Maßnahmen aufbaut. Dazu bedarf es der 3R: Repräsentation, Ressourcen & Rechte.
Klimapolitik und die Energiewende
Auf dem folgenden Panel zu „Feministischer Klimapolitik als Maßstab klimapolitischen Handels“ diskutierten Sheena Anderson (Projektmanagerin Klimagerechtigkeit und Anti-Rassismus, Centre for Feminist Foreign Policy), Fatim Selina Diaby (Aktive in der Anti-Rassismus- und Klimagerechtigkeitsbewegung) und Dr. Jürgen Zattler (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) darüber, was feministische Klimapolitik sein könnte und welche Parameter ihr zugrunde gelegt werden sollten. Dabei wies Anderson darauf hin, dass der Kolonialismus und seine Strukturen bis heute ein Machtgefälle etabliert haben, dass es zu durchbrechen gelte. Auch Diaby machte sich für eine Gesellschaft stark, in der die Menschen als gleichberechtigt miteinander leben können. Zattler berichtete aus seiner Arbeit und einzelnen Projekten weltweit, bei denen insbesondere Frauen gefördert werden.
Mobilität und Verkehr
Im Panel „ Sozial- und geschlechtergerechte Mobilitätswende für alle“ erläuterte Katja Diehl (Autorin und Host des Podcast „She Drives Mobility“) die Zusammenhänge zwischen Verkehr und Geschlechtergerechtigkeit. Unter anderem wies sie darauf hin, dass in der Straßenverkehrsordnung der „flüssige Verkehr“, und damit der Autoverkehr im Zentrum stehe. Dass – wirtschaftlich häufig schwächer gestellte – Frauen den ÖPNV stärker nutzten oder Wege zu Fuß zurücklegten, da sie sich keinen Führerschein/kein Auto leisten könnten, bewirkt, dass sie im Verkehr marginalisiert werden. Auch Monika von Palubicki (Vorstand Deutscher Frauenrat) machte darauf aufmerksam, dass Frauen – als Care-Person – sich anders bewegten: Im Gegensatz zur Hin- und Rückfahrt zur Erwerbsarbeit würden die Wege gekoppelt und hintereinander mehrere Punkte angefahren. Das bedeute auch eine andere Planung für den ÖPNV. Nyke Slawik (MdB, Stellv. Vorsitzende Verkehrsausschuss Deutscher Bundestag) berichtete von den Schwierigkeiten, in einem männlich dominierten Bereich Frauenperspektiven einzubringen und Änderungen durchzusetzen.
Strukturwandel von Arbeit
Im Panel 2 „Ökologischer Strukturwandel von Arbeitsmarkt und Wirtschaft“ ging es um die Transformation des Arbeitsmarkts. Heike Lehmann (Frauen im DGB, Mitglied im Fachausschuss „Klimaschutz geht alle an“ des Deutschen Frauenrats), Sascha Gabizon (Internationale Direktorin von Women Engage for a Common Future – WECF), Christina Schildmann (Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung) und Birgit Schwenk (Leiterin der Abteilung Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) stellten ihre Arbeit und Programme vor.
Ähnlich wie zur Zeit der beginnenden digitalen Transformation sollte nun die Chance bestehen, Frauen in Schlüssel- und Führungspositionen von Organisationen zu bringen. Mit dem Wandel gingen auch veränderte Arbeitszeitmodelle einher, die die Chance einer Öffnung des Arbeitsmarktes auch für Care-Personen mit geringerer Stundenzahl mit sich brächten. Damit Mädchen und Frauen „in die MINT-Berufe“ gehen, sollten vielleicht die Bezeichnungen geändert werden: „Frauen in die Green Economy“ oder „Mädchen in die Climate Jobs“. Dies könnte den Fokus verschieben und mehr Frauen motivieren, hier aktiv zu werden. Die Zahlen für Deutschland in der Green-Tech-Branche sind bescheiden: 16 % Frauenanteil seien sehr gering. Hier gilt es, zu fördern (z. B. Mentoring-Programm des BMWK), Anreize zu schaffen und den Wandel als Chance für Frauen zu nutzen.
Bauen und Wohnen
Im dritten Panel diskutierten Dr. Sibylle Braungardt (Senior Researcher Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e. V.), Annett Jura (Leiterin der Abteilung Wohnungswesen und Immobilienwirtschaft im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) sowie Ulrike Röhr (Frauen in Naturwissenschaft und Technik e.V. (NUT), Mitglied im Fachausschuss „Klimaschutz geht alle an.“ des Deutschen Frauenrats) „Geschlechteraspekte beim klimagerechten Bauen und Wohnen: Handlungsbedarf und Lösungen“.
Resümee
Insgesamt war die Fachveranstaltung gut besucht und es ergaben sich rege Diskussionen auf den Panels wie auch in den Pausen. Von den BücherFrauen waren Yvonne de Andres (Vorstand Deutscher Frauenrat – Verantwortliche für das Schwerpunktthema Intersektionalität) und Meiken Endruweit (2. Vorsitzende BücherFrauen) vor Ort. Das Thema der nachhaltigen Entwicklung und des gesellschaftlichen Wandels zeigt sich als deutlich feministisches Thema: Da Frauen und Mädchen die Hauptlast der Krisen tragen, jedoch (immer noch) nicht ausreichend in den politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen vertreten sind, um die eigene Stimme einzubringen, fehlt die Perspektive auf die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen. Eine feministische Klimapolitik sollte diese einbringen und mitdenken.
Text: Meiken Endruweit