Nachhaltig kreativ vernetzt: Nachhaltigkeit in Klein(st)unternehmen – Tagungsbericht

Der Runde Tisch Nachhaltigkeit und Kleinstunternehmen hat am 12. März in den Kiezraum Dragoner Areal in Berlin-Kreuzberg geladen, um über nachhaltiges Wirtschaften, Netzwerke und Beratung zu informieren und Austausch wie auch Möglichkeiten zur Vernetzung zu bieten. Ein Bericht von Meiken Endruweit.

Zunächst einmal kurz geklärt: Ein Kleinunternehmen hat 10–49, ein Kleinstunternehmen entsprechend 1–9 Beschäftigte. Die Klimakrise macht ein anderes Wirtschaften mit neuen Konzepten und Modellen und den Blick auf Ökologie, Ökonomie und Soziales notwendig. Daraus erwachsen auch Ideen und Konzepte zu anderem Wachstum und allgemein einem kritischen Blick auf den Konsum. Die EU hat Auflagen eingeführt, die große Unternehmen zu Berichtserstattung über Nachhaltigkeit verpflichtet. Mit einer Novellierung der Gesetze werden ab 2025 (Berichtsjahr 2024) etwa 15 000 Unternehmen in Deutschland berichtspflichtig sein, bisher waren es etwa 550. Doch auch für Kleine und Kleinstunternehmen kann ein Nachhaltigkeitsbericht von Vorteil sein.

Der Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK)

Wie ein solcher Bericht erstellt werden kann erläuterte Isabelle Krahe (Rat für Nachhaltige Entwicklung) anhand des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Der DNK ist ein niedrigschwelliger Einstieg in die ab nächstem Jahr geltende Berichtspflicht zu Nachhaltigkeit in größeren Unternehmen. Da diese Unternehmen auch ihre Lieferketten in den Bericht einbeziehen, ist es auch für viele nicht berichtspflichtige Firmen günstig, einen Bericht zu erstellen. Der DNK bietet mit seinen 20 Kriterien und quantitativen Indikatoren einen Ausgangspunkt zur Reflexion der Nachhaltigkeit im Unternehmen sowie zur eigenen strategischen Weiterentwicklung.

Der Startpunkt ist die Wesentlichkeit: Was sind die wesentlichen Bereiche, in denen das eigene unternehmerische Tun die größten Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte hat? Und welche Aspekte von Nachhaltigkeit (z. B. Folgen des Klimawandels) haben den größten Einfluss auf die Tätigkeit des Unternehmens? Der DNK bietet als Leitfaden vier Bereiche an, in denen über Nachhaltigkeit berichtet wird: das Nachhaltigkeitskonzept mit der Strategie und dem Prozessmanagement sowie die Nachhaltigkeitsaspekte mit der Umwelt und der Gesellschaft.

Gerade wenn viele der Bereiche und Fragen bisher in der eigenen Organisation keinen großen Stellenwert hatten, ist es wichtig im Auge zu behalten, dass es nicht zentral ist, „schon alles erreicht“ zu haben. Beim DNK geht es vielmehr darum, zu den Punkten zu berichten und Zielvorstellungen zu formulieren. Nicht Perfektion, sondern der Prozess ist wichtig. Das Prinzip heißt Comply & Explain, indem begründet wird, warum etwas noch nicht geht oder eingeführt ist: „Ich habe vor…“, die Daten stehen (noch) nicht zur Verfügung, es ist für die Organisation nicht wesentlich – und dann zu begründen, warum.

Dann erläuterte Krahe noch die vier Schritte zum DNK:

1. Informieren & planen: Recherche – Überblick verschaffen über wesentliche Themen der eigenen Organisation; Wer entscheidet, was wichtig ist? Wer erstellt den Bericht?

2. Die DNK-Erklärung in der Datenbank anlegen.

3. Es erfolgt eine formale Prüfung auf Vollständigkeit (für berichtspflichtige Unternehmen gelten weitere Schritte u. a. eine Prüfung durch Wirtschaftsprüfer)

4. Der DNK wird veröffentlicht und für alle zum Einsehen zur Verfügung gestellt.

Etwa alle 1–2 Jahre kann der Bericht erneuert werden – Fortschritte werden so sichtbar gemacht, außerdem können neue, weiterführende Ziele formuliert werden.

Für viele Branchen gibt es inzwischen Branchenleitfäden auf Grundlage des DNK, die für die Berichtserstellung eine Basis bilden können. Für die Buchbranche ist dies der u. a. mit dem Börsenverein erarbeitete Branchenleitfaden „Nachhaltigkeit für Verlage Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)“ (abrufbar unter: publisher-consultants.de/branchenleitfaden-nachhaltigkeit-verlage).

Weitere Informationen: www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de

Corporate Social Responsibility

Im zweiten Vortrag von Miriam Baute (NurBaute) ging es um Environmental Social Governance, also nachhaltige Unternehmensführung. Sie wies darauf hin, dass auch Klein(st)unternehmen eine wichtige Auswirkung auf Nachhaltigkeit haben, schon allein, weil es so viele gibt – 96 % aller Beschäftigten arbeiten in diesen Unternehmen, die 99,3 % der Unternehmen in Deutschland ausmachen.

Baute hob hervor, dass es auch für nicht berichtspflichtige Unternehmen drei wichtige Gründe für das Erstellen eines Nachhaltigkeitskodex gibt: 1. Im Hinblick auf die Auftraggeber bringt ein eigener Nachhaltigkeitsbericht Vorteile, da ihre Waren und Dienstleistungen über den Trickle-Down-Effekt der Berichtspflicht der großen Unternehmen in den Berichten dieser Unternehmen auftauchen und bewertet werden müssen. 2. Die Transparenz bringt im Hinblick auf die Kund*innen einen Wettbewerbsvorteil, da z. B. 3/4 der Verbraucher*innen auf nachhaltige Produkte achten und etwa die Hälfte auch bereit sind, mehr Geld dafür auszugeben. 3. Mit einem Bericht und einer authentischen und transparenten Darstellung nach außen und innen können auch Mitarbeitende gefunden und/oder gehalten werden.

Als weitere Chancen, die sich durch das Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichts ergeben, führte Baute an, dass durch das Ausloten von Einsparungspotenzialen das eigene Geschäftsmodell weiterentwickelt werden kann und sich Raum für Innovationen ergibt. Mithilfe des Prozesses kann ein Wandel im Unternehmen auch auf anderen Ebenen vorangetrieben werden. Dafür ist natürlich auch eine Darstellung des Prozesses innerhalb des Unternehmens nötig, der z. B. auf einer Wall of Change festgehalten und begleitet werden kann.

Gemeinwohlökonomie

Neno Rieger (Gemeinwohl-Ökonomie Berlin-Brandenburg) machte auf einen Satz des Grundgesetzes aufmerksam: „Eigentum verpflichtet.“ Dieser werde jedoch im allgemeinen wenig geachtet. Die Gemeinwohlökonomie setzt hier an und fordert, dass politisch andere Anreize zum Wirtschaften gesetzt werden. Bisher, so Rieger, wirtschaften wir, ohne die Grenzen unseres Planeten zu beachten, auch weil unsere Gesetzgebung dies ermöglicht. Die Donut Ökonomie (Kate Raworth) zeigt diese Grenzen auf: Nach außen ist es die ökologische Grenze, die unser Planet hat (z. B. Luftverschmutzung, Verlust der Biodiversität), nach innen sind es die Grenzen des sozialen Fundaments der Menschheit (z. B. Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, Nahrung). Für Unternehmen ist es ein Wettbewerbsvorteil, diese Grenzen nicht einzuhalten, denn Wirtschaftlichkeit wird anhand der Finanzbilanz gemessen. Die Gemeinwohlökonomie möchte ein anderes Anreizsystem einführen: Es soll ein Wettbewerbsvorteil sein, für das Gemeinwohl zu wirtschaften. Das sollte zu niedrigeren Steuern und besserem Zugang zu Kapitel (Finanzierung) führen. Angestrebt wird die doppelte Bilanzierung: eine Finanzbilanz wird durch einen Gemeinwohlbilanz ergänzt. Diese basiert auf Werten wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung.

Ähnlich wie den Nachhaltigkeitsbericht gibt es einen Gemeinwohlbericht, in dem aufgeführt wird, wo ein Unternehmen steht und welche Punkte noch weiterentwickelt werden können. Solch ein Bericht habe starke Auswirkungen: Auf die Ausrichtung und damit auf die Zukunftsfähigkeit wie auch auf die Attraktivität eines Unternehmens. Ein neues Wirtschaften sei notwendig, da die Ressourcen endlich sind, unser Wirtschaftssystem aber auf endlosen Wachstum ausgerichtet sei.

Infos dazu unter https://germany.ecogood.org/