Im SARAH wurden wir mit offenen Armen empfangen, und die SARAH-Frauen würden sich sehr freuen, wenn wir in Zukunft immer mal wieder eine Veranstaltung bei ihnen machen würden.
Von BAF e.V., dem Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs in Tübingen, waren Nicola und Bea sowie Heidi gekommen, um diese wichtige Institution und ihre Entstehungsgeschichte vorzustellen.
Moderiert wurde der Abend von der Literaturwissenschaftlerin Dr. Mascha Riepl-Schmidt.
Mascha informierte uns am Anfang über frühere Bewohnerinnen der Johannesstr. 13, dem Standort von SARAH. Die Schwestern Sophie (1867-1930) und Helene 1865-1938) Reis, die sich ihr ganzes Leben lang für Frauenbildung und Frauenrechte eingesetzt haben, haben dort gewohnt und gearbeitet. Sie haben wichtige Beiträge zur Frauenförderung in Stuttgart Anfang des 20. Jahrhundert geleistet.
Die drei Tübingerinnen berichteten von ihren Verbindungen zu BAF, von den Schwierigkeiten bei der detektivischen Spurensuche nach Frauenbiographien, von ihren Projekten, von der Geschichte des Archivs und von den Problemen, eine dauerhafte finanzielle Förderung zur Sicherung der Arbeit und des Bestands des Archivs zu erhalten.
Die Gründungsidee kam Mitte der 1980er Jahre von jungen Sozialwissenschaftlerinnen, die bei ihrer Erforschung der ersten deutschen Frauenbewegung auf eine mehr als dürftige Quellenlage stießen. Deshalb beschlossen sie, ein Frauen-Archiv zu gründen, um Frauengeschichte sichtbar zu machen und einen Raum für ein kollektives Gedächtnis von Frauen zu schaffen.
Die Aufbruchstimmung und das Engagement waren von Anfang an enorm. Wöchentlich trafen sich die Frauen zum Plenum, um über Projekte, Organisation, Probleme zu diskutieren, natürlich alles ehrenamtlich. Die Arbeit war und ist bis heute eine Entdeckungsreise, denn die offizielle Geschichtsschreibung vernachlässigt Frauengeschichte und Frauenbiographien fast vollständig. So wird jede Forschung zu Detektivarbeit. Es gibt zum Glück seit 1990 ein aktives Netzwerk von Frauengeschichtsforscherinnen und -vermittlerinnen aus dem deutschsprachigen Raum, Miss Marples Schwestern, das eine große Hilfe bei der Suche ist.
Früh schon konnten die Frauen Stadtrundgänge auf Frauenspuren anbieten.
Ein besonders bewegendes Projekt war das Erzählcafé mit Frauen, die von ihrem Lebensalltag während des Nationalsozialismus berichteten, dokumentiert in dem Band "Endlich habe ich einen Platz für meine Erinnerungen gefunden". Kollektives Erinnern von Frauen in Erzählcafés zum Nationalsozialismus, ein Projekt, das Vorbild für Erzählcafés in anderen Städten wurde.
Ausstellungen zu fast vergessenen Künstlerinnen wie Rosemarie Dyckerhoff oder zu anderen Themen wie z. B. zum Frauenstudium an der Universität Tübingen wurden organisiert.
Besonders erwähnenswert ist dabei die Ausstellung von 1999 "In Bewegung. 30 Jahre neue Frauenbewegung in Tübingen".
Bis heute gibt es nicht viele Institutionen, die so umfangreich über Frauengeschichte und Frauen-Bewegungen informieren können und Frauenforschung initiieren. Die umfangreiche Bibliothek mit ca. 6.000 Titeln zu Geschlechterforschung und Queer-Feminismus, sexualisierter Gewalt, Schwangerschaftsabbruch, Körper und Seele, Frauengeschichte und vieles mehr kann auch genutzt werden.
Es gibt –aus Personalmangel – nur noch wenige allgemeine Öffnungszeiten, aber wenn Ihr zu einem bestimmten Projekt Unterstützung braucht, lässt sich auch ein Termin außerhalb dieser Zeiten organisieren.
Das BAF-Archiv macht mittlerweile 68 laufende Meter Archivmaterial aus und umfasst Materialien zur Frauen-Lesben-Geschichte in Baden-Württemberg ab 1968, Flyer, Plakate, Graue Literatur u.v.m., kurz: Alles, was die Frauenbewegung seit den 1960er Jahren dokumentiert.
Das größte Problem für BAF bleibt die fehlende dauerhaft institutionelle finanzielle Förderung, um den Fortbestand des Archivs zu sichern. Förderung erfolgt oft nur projektbezogen, zuletzt zur Erstellung einer (Frauen-) Bewegungskarte in Baden-Württemberg, eine digitale Landkarte, die frauenspezifisches, ehrenamtliches Engagement in Baden-Württemberg dokumentiert, seit 2021 ist sie online. Aber die weitere Aktualisierung dieser Bewegungskarte müsste dringend dauerhaft finanziell gesichert werden.
Ein weiteres Problem ist die Suche nach barrierefreien größeren Räumen. Am jetzigen Standort in der Rümelinstraße in 2. OG, ohne Fahrstuhl, lässt die Statik keine weiteren Bücher und Dokumente zu, weshalb Buchspenden und Nachlässe im Moment nicht angenommen werden können bzw. Archivmaterial in angemieteten Räumlichkeiten untergebracht werden muss.
Die Berichte der drei BAF-Frauen haben uns sehr beeindruckt und wir sind voller Bewunderung für ihr so großes und kontinuierliches ehrenamtliches Engagement. Das Arbeitsaufkommen ihres Ehrenamts war nur zu bewältigen, wenn sie quasi mit dem Archiv "verheiratet" waren.
Es war ein überaus spannender, informativer, bewegter und auch sehr vergnügter Abend.
Schade nur, dass außer drei SARAH-Frauen nur eine Gästin gekommen war.