Als Schöffin das SDG 16 fördern – Interview mit Anne Friebel

Anne Friebel ist Verlegerin von Palomaa Publishing, Mentorin im BücherFrauen-Mentoring 2024 und Schöffin in Leipzig 

Anne, wie bist du auf die Idee gekommen, Schöffin zu werden?
Wann? Gab es einen besonderen Anlass? Wurdest du angesprochen? …

Als die Stadt Leipzig im letzten Jahr Ehrenamtliche für die neue Schöff*innenperiode gesucht hat, wurde stark in rechten Kreisen dazu aufgerufen, sich hier einzubringen, um das deutsche Justizsystem zu beeinflussen. Das hat mich damals sehr beunruhigt und gleichzeitig motiviert, mich selbst als Schöffin zu bewerben. Ich wollte zu einer gewissen Mischung unter den ehrenamtlichen Richter*innen beitragen, dem Einfluss von rechts etwas entgegensetzen – und letztlich unsere demokratische Struktur durch die direkte Beteiligung an der Strafjustiz unterstützen.

Wie läuft das eigentlich, Schöff*in zu werden?
Was musstest du tun?
Werden bestimmte Qualifikationen vorausgesetzt? Falls ja, welche?
Welche Schritte folgten bis zur Auswahl und Berufung?
Wer trifft die Entscheidung?
Wenn man gewählt wird: Wie lange ist man im Amt?

Im März 2023 habe ich bei der Stadt Leipzig ein Bewerbungsformular ausgefüllt und innerhalb der Bewerbungsfrist abgeschickt. Die Infos dazu fand ich auf der Website der Stadt. Voraussetzung für das Schöff*innenamt war, dass man sich zeitlich verfügbar hält und gesundheitlich fit genug ist, um an den Gerichtsverfahren, die durchaus mehrere Tagen dauern können, teilzunehmen. 

Ich denke, der größte Knackpunkt an diesem Ehrenamt ist für viele tatsächlich die zeitliche Verfügbarkeit. Es gibt nur wenige zulässige Gründe dafür, als Schöffin einen Einsatz abzusagen, denn die Gerichtsverfahren müssen schließlich zuverlässig durchgeführt werden können. Ob man an diesem Tag eigentlich einen Workshop halten, den Opa im Pflegeheim besuchen oder wegfahren wollte, zählt nicht. Dessen sollte man sich bewusst sein. Bisher war das für mich kein Problem, ich hatte in 2024 bisher drei Prozesstage, an denen ich als Schöffin gearbeitet habe, und das ließ sich gut für mich einrichten.

Ein paar Monate nach der Bewerbung erhielt ich im Herbst 2023 dann den Bescheid, dass ich als Schöffin für die Amtsperiode 2024 bis 2028 ernannt bin. Eine Periode als ehrenamtliche*r Richter*in dauert fünf Jahre. Im Dezember 2023 gab es noch eine freiwillige Infoveranstaltung des Amtsgerichts, wo die wichtigsten Fragen geklärt wurden. 

Zum genauen Ablauf der Schöff*innenwahl kann man sich hier informieren.

In welchen Prozessen/Verfahren sind Schöff*innen gefragt?

Schöff*innen werden am Amtsgericht und beim Landgericht eingesetzt. Ich selbst bin aktuell für das Amtsgericht in Leipzig tätig. An den Amtsgerichten und bei der kleinen Strafkammer des Landgerichts werden die Prozesse immer von einer*einem hauptberuflichen Richter*in und zwei Schöff*innen geführt. Die große Strafkammer beim Landgericht wird von drei Berufsrichter*innen und zwei Schöff*innen geführt.

Welche Aufgabe(n) hast du als Schöffin?

Laut Deutschem Richtergesetz ist „ein ehrenamtlicher Richter in Deutschland in gleichem Maße sachlich unabhängig wie ein Berufsrichter“ und gleichberechtigt an der Hauptverhandlung in Strafsachen beteiligt. Das bedeutet, dass die Schöff*innen als ehrenamtliche Richter*innen in der Urteilsfindung den hauptamtlichen Kolleg*innen gleichgestellt sind. Wir nehmen auf Richter*innenseite an den Verhandlungen teil, hören Anklage und Verteidigung an, sprechen uns mit den hauptamtlichen Richter*innen ab und beratschlagen uns zur Urteilsfindung. Das ist eine große Verantwortung.
Zu Beginn der Amtsperiode wurde ich als Schöffin vereidigt, denn ich muss mich natürlich an die Gesetze und Pflichten halten, denen auch die hauptamtlichen Richter*innen folgen. 

Welche Erfahrungen hast du gemacht? Kannst du das Engagement als Schöffin weiterempfehlen? Warum?

Bislang habe ich das Ehrenamt als Schöffin als sehr bereichernd empfunden. Es ist interessant zu sehen, wie Gerichtsprozesse im wahren Leben ablaufen. Ich habe mich während meines letzten Prozesses sehr gut mitgenommen gefühlt durch die hauptberufliche Richterin und die Kolleg*innen beim Amtsgericht.
Und es ist auch ein gutes Gefühl, an einer fairen Rechtsprechung für uns alle mitzuwirken. Ich denke, dass dies ein Ehrenamt für jede ist, die sich zeitlich recht flexibel einbringen kann, eine grundsätzliche Offenheit für andere Menschen mitbringt und unsere Demokratie durch diese verantwortungsvolle Arbeit unterstützen möchte.

Danke für das Interview, Anne!

Das Interview führte Kristina Poncin am 02. Mai 2024.

Anne Friebel ist Verlegerin bei Palomaa Publishing, Gründerin des Netzwerkes The Female Publisher sowie Co-Host des Branchenpodcasts „Die Bücher unserer Zukunft“ über die Zukunft der Buchbranche. Sie war 2022 nominiert für den Börsenblatt Young Excellence Award sowie für den Emotion Award in der Kategorie „Gender Balance in Media“ und erhielt den Sächsischen Verlagspreis. 2024 wurde sie mit dem PublisHer Excellence Award in Innovation ausgezeichnet. Anne Friebel ist im Jahr 2024 als Mentorin bei den Bücherfrauen aktiv und ehrenamtlich als Schöffin für die Stadt Leipzig engagiert.