Jahrestagung 2023: Übersetzerinnen ins Rampenlicht rücken
Feierlicher Auftakt mit der Verleihung des BücherFrauen-Literaturpreises "Christine"
Am Vorabend des Jahrestreffens wurde der Literaturpreis „Christine“ zum zweiten Mal verliehen. Preisträgerin ist in diesem Jahr die Lyrikerin Slata Roschal, die für ihr erstes Prosawerk „153 Formen des Nichtseins“ ausgezeichnet wurde (wie in einer gesonderten Meldung berichtet).
Die im Dunkeln sieht man nicht – Übersetzerinnen ins Licht rücken
Das Tagungsprogramm startete am Samstag mit der Keynote von Karin Krieger, Übersetzerin aus dem Italienischen und Französischen, zum Thema „Die im Dunkeln sieht man nicht – die Rolle der Übersetzerin in der Medien- und Buchbranche“. Darin stellte sie fest, dass eine gewisse Unwissenheit im Umgang mit Übersetzerinnen vorherrsche, diese jedoch selten bewusst übersehen würden. „Doch ist eine Übersetzung erst gut, wenn die Kunst dahinter nicht bemerkt werde?“, fragte die Übersetzerin Elena Ferrantes weiter. Denn für den ästhetischen Genuss eines Textes sei jede Menge unsichtbare Kraftanstrengung nötig: „Ein Text ist mehr als die Summe seiner Einzelwörter. […] Es geht gerade um Wirkungen und Zusammenhänge, also neben dem transportierten Inhalt auch um ästhetische Komponenten, um Rhythmus, Witz, Klang, Tempo, Farbe.“
So hat auch der Bundesgerichtshof mittlerweile festgestellt, dass Literaturübersetzungen eigenständig Kunstwerke sind, die genauso schützenswert wie der Originaltext sind. Wird die Sprachkraft einer Übersetzung gelobt, ist dies nämlich nicht die Leistung des:der Originalautor:in, sondern die der übersetzenden Person. Dennoch ist es für viele Verlage noch immer keine Selbstverständlichkeit, sie zusammen mit dem:der Original-Autor:in zu nennen.
An die Keynote anschließend diskutierten Karin Krieger und Eveline Passet, Übersetzerin aus dem Russischen und Französischen sowie Rundfunkautorin, über die unterschiedliche Übersetzungs- und Verlagskultur in Ost- und Westdeutschland sowie deren Auswirkungen bis heute. Britta Jürgs, Verlegerin des AvivA Verlags, moderierte die Podiumsdiskussion. Anders als heute konnten Übersetzer:innen in der damaligen DDR von ihrer Arbeit leben, führte Britta Jürgs in ihrer Einleitung zum Thema aus. Auch die Zusammenarbeit mit den Verlagen sei besser gewesen: Die Zahlung von Tantiemen, die Nennung im Haupttitel und die feste Vergütung je nach Schwierigkeitsgrad des Textes waren seit 1955 in einem Normvertrag geregelt. Auch in den Medien und in der Öffentlichkeit waren Übersetzer:innen stark präsent und anerkannt. Heute seien sie das schwächste Glied in der Kette des Lizenzgeschäfts, stellten die Diskutantinnen fest. Höchstens kleinere, unabhängige Verlage würden ihnen Entscheidungsbefugnisse einräumen. Zudem seien die Reallöhne der Übersetzer:innen so stark gesunken, dass heute der Lebensunterhalt oftmals durch die Berufstätigkeit kaum mehr zu bestreiten sei.
Am Nachmittag folgten sechs Workshops, die verschiedene Aspekte des Übersetzens aufgriffen: Vom #Umgang mit der Sprache und #Stolpersteine beim Übersetzen über #Wertschätzung für Übersetzende und das aktuelle Thema #KI als Konkurrenz bis hin zu den Herausforderungen bei der Übersetzung von #Reiseführern und #Graphic Novels wurde ein breites Spektrum an Fragestellungen zum Jahresthema untersucht.
Mit ihrem Impulsvortrag zu #Mental Health von Silke Buttgereit wurde das offizielle Programm am Samstag beschlossen.
Neuer Vorstand gewählt
Der Sonntag stand ganz im Zeichen der Vollversammlung und war von den Wahlen eines neuen Vorstands geprägt. Marianne Eppelt wurde in ihrem Amt als 1. Vorsitzendes des Branchennetzwerks bestätigt, ebenso wie PresseFrau Nina Greimel. Neu im Vorstand sind Martina Hayo als Schriftführerin und Carola Köhler als FinanzFrau, die das Amt von Kristina Poncin übernommen hat. Meiken Endruweit, die im Mai das Amt der Schriftführerin interimsmäßig übernommen hatte, und Sandra van Lente unterstützen den Vorstand zukünftig bei seiner Arbeit. Alle Kandidatinnen wurden mit überwältigender Mehrheit und ohne Gegenstimme gewählt.