Machtnix, ein vorpubertäres Mädchen, flieht während eines Bürgerkrieges im ehemals idyllischen Land ihrer Kindheit aus einem Lager. Auf ihrer ziellosen Wanderung trifft sie auf märchenhafte Tiergestalten und den Blindgänger einer Bombe. Diese hauptsächlich aus weiblichen Figuren bestehende Notgemeinschaft rettet auf abenteuerliche Weise mit Hilfe der klugen Ratten den Frieden – für eine Zeit lang, wie Autorin und Leserin sehr wohl wissen. Harte Kriegsszenen, Naturidyllen, sprachliche Perfektion in Verbindung von Märchenton und Polit-Analyse machen das 1993 erstmals erschiene, zeitlose Buch zum großen Lese-Erlebnis.
Barbara Frischmuth, die Sprachvirtuosin mit politischem Gespür, mischte ab 1969 als Mitwirkende der Grazer Künstlergruppe „Forum Stadtpark“ Österreichs Literaturtradition neu auf. In der Trilogie „Die Mystifikation der Sophie Silber“ (1976); „Amy oder Die Metamorphose“ (1978); „Kai oder die Liebe zu den Modellen“ (1979) verbindet sie die Gattung der Zaubermärchen mit der klarsichtigen Emanzipationsgeschichte mehrerer Frauengenerationen. Beide Stränge ihrer Erzählkunst finden sich in „Machtnix“ wieder. Obwohl sich die Frischmuth ungerne auf das Literaturgenre „Frauenemanzipation“ reduzieren läßt, kämpfen hier deutlich nachvollziehbar ein weibliches und ein männliches Prinzip gegeneinander.
„Die gute Mutter der Stadtindianer“
Als weiblich inspirierte zeitlose Dystopie gegen Krieg und Aggression ist das Buch im deutschsprachigen Bereich konkurrenzlos geblieben. Seine Lektüre regt Leserinnen gnadenlos auf, Männer vielleicht noch mehr. Denn für ihre Treffsicherheit zahlte die Autorin einen hohen Preis. Wilhelm Kühlmann veröffentlichte im FAZ-Feuilleton vom 19.05.1993 einen auch in der FAZ beispiellos misogynen und wirkungsvollen Verriss über „Die gute Mutter der Stadtindianer“ – toucher!!!! Wie gut, dass sich Frau in der neuen Ausgabe über die Qualität dieser Geschichte vom Krieg und den Preis des Friedens selber überzeugen kann.
Barbara Frischmuth: Machtnix oder Der Lauf, den die Welt nahm
Salzburg, Wien: Residenz 2018
217 S. 22,00 Euro.
ISBN: 978-3-7017-1703-3, 22,00 Euro