Endlich auf Deutsch: Dagny Juel
Die norwegische Autorin Dagny Juel (1867 – 1901) als große Unbekannte zu bezeichnen, ist eigentlich falsch. Als Muse von Munch, Strindberg, Dehmel und noch vielen anderen finden wir die Norwegerin, die mit ihrem polnischen Mann Stanislaw Przybyszewski einige Jahre in Berlin lebte, in vielen literaturgeschichtlichen Werken. Dass sie auch geschrieben hat, gerät dabei meistens in den Hintergrund. Nicht nur ihre Rolle als Muse, auch ihr dramatisches Lebensende lenken von ihrem literarischen Werk ab. Erschossen in Tblisi von einem Liebhaber! Noch dazu von einem „jungen“, das betonen gerade die Herren, die über sie schreiben. Bei ihrem Tod war Dagny Juel knapp 34, welches Alter der „junge Liebhaber“ Władysław Emeryk hatte, steht nirgendwo. Lars Brandt schreibt in seinem Nachwort, dass Emeryk vermutlich gar nicht ihr Liebhaber war, sondern sie aus rein praktischen Gründen auf der Reise nach Georgien begleitete. Dagny Juel stammte aus einer gutbürgerlichen Familie im norwegischen Kongsvinger – ihr Geburtshaus beherbergt heute das „Norwegische Frauenmuseum“, eine Dauerausstellung ist Juels Leben und Werk gewidmet. Als höhere Tochter hatte sie Klavierspielen gelernt und reiste 1892 nach Berlin, um sich dort in ihrer Kunst zu vervollkommnen. Doch dort geriet sie in die Bohèmeszene, die sich in der Kneipe „Zum Schwarzen Ferkel“ traf, und wurde zur Muse und Autorin. Viele ihrer Werke wurden zu ihren Lebzeiten nicht veröffentlicht, Przybyszewski wollte mit dem Nachlass seiner Frau offenbar nicht zu tun haben. Weshalb vieles davon verschollen ist. Sie schreibt in Erzählungen und Theaterstücken über starke Gefühle, Leidenschaft und Hoffnungslosigkeit. Ihre Frauen sind immer aktiv, oft auch ziemlich böse, und wenn sie vor einer schicksalhaften Entscheidung stehen, wählen sie mit sicherer Hand den Weg, der ins Verderben führt. Dabei gelingen ihr immer wieder komische Szenen und Bonmots, die jeden Zitatenschatz zieren würden. Das erhaltene Gesamtwerk liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor.
Dagny Juel: Flügel in Flammen. Gesammelte Werke.
Übersetzung und Nachwort: Lars Brandt.
Weidle Verlag, 2019
fadengeheftete Broschur, 171 S.
ISBN 978-3938803912, 20,- €